#6 Homestory

Um die Redaktion an den harten Produktionstagen einigermaßen bei Laune zu halten, stellt die Geschäftsführung hin und wieder eine große Box gemischter Gummisüßigkeiten auf den Konferenztisch. Wer dann schnell genug ist, kann sich die besten Stücke sichern und sichert sich damit die nötige Zuckerversorgung bis weit in die Nachmittagsstunden. Die Vorlieben der Kolleginnen und Kollegen liegen auch, was die Süßigkeiten angeht, meilenweit auseinander. Während die eine besonders die gaumenzersetzend sauren Pommes liebt, mag der andere eher die langen, süßen Schmatze­würmer. Ein dritter Kollege geht eher nach Äußerlichkeiten: »Sieht die neue Haribo-Kollektion wirklich aus wie eine Sammlung von Sextoys oder bilde ich mir das ein?« Möglicherweise ist es auch der Frühling, der nach Ansicht der Geschäftsführung schon »ganz zart ans Fenster klopft«. Jedenfalls ist die Stimmung in Ihrer liebsten Wochenzeitung momentan sehr friedlich. Das Fluchen ist in letzter Zeit recht leise und schon mehrere Tage lang hat niemand mehr Druckfahnen zerknüllt und nach anderen geworfen.

Diese Woche schenkte unser famoser Praktikant uns zum Abschied sogar ein Blech selbstgebackener Brownies. Und weil er während seiner Zeit bei der Jungle World den achtsamen Umgang mit seinen Mitmenschen gelernt (oder zumindest nicht verlernt) hat, warnte er mit einem liebevoll gestalteten Zettel: »Vorsicht Nüsse! Nicht vegan!«. Die Schokoladenküchlein waren übrigens ganz hervorragend. Auf den Zettel angesprochen antwortete der Ex-Praktikant, er habe umsichtig sein und niemandem auf die Füße treten wollen. Das finden wir ausgesprochen höflich. Und wir sind auch immer ein bisschen betrübt, wenn uns ein so lieber Praktikant wieder verlässt. Meistens nehmen wir uns dann aber alle ganz fest in den Arm und rubbeln uns zum Trost gegenseitig den Rücken. Vielleicht reden wir aber auch noch mal über MDMA in den Brownies, wenn wir uns demnächst zur geplanten Gefühle- und Kuschelrunde treffen.

Na gut, vielleicht auch lieber nicht. Was würde denn aus uns, wenn wir jedem Fettnäpfchen künftig aus dem Weg gingen? Vielleicht wird die Kollegin mit der Vorliebe für deftige Snacks gleich in die Räume der Geschäftsführung stürmen und mal richtig auf den Putz hauen: Was soll dieser Gummischeiß hier eigentlich ­ständig?