Massaker an Zivilisten in der Demokratischen Republik Kongo

Vorschnelle Siegesmeldungen

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo verübten Rebellen Massaker und töteten mindestens 70 Zivilisten. Weder die kongolesische Armee noch die Einheiten der Blauhelmmission Monusco sind in der Lage, die Bevölkerung vor solchen Gewalttaten zu schützen.
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Mitte Januar verkündete die kongolesische Armee, die Rebellengruppierung Allied Democratic Forces (ADF) im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo vernichtend geschlagen zu haben. Trotzdem kam es in der vergangenen Woche zu mehreren Massakern, bei denen mutmaßlich die ADF 70 Zivilisten getötet hat. Offensichtlich waren die Siegesmeldungen der Armeeoffiziere vorschnell.

Die Massaker, deren genaue Hintergründe wegen des Fehlens verlässlicher Nachrichten aus der Region nur vermutet werden können, zeigen zunächst vor allem eines: Weder die kongolesische Armee noch die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (Monusco) sind in der Lage, die Bevölkerung vor grausamen Gewalttaten zu schützen. So müssen die Zivilisten regelmäßig den Preis für die militärischen Offensiven der Streitkräfte zahlen.

Mitte Januar hatte die Armee berichtet, das Rebellenhauptquartier in Medina eingenommen und dabei fünf von sechs Anführern sowie 100 weitere Rebellen getötet zu haben. Die ADF sei nun Geschichte, eine Großoffensive mit 22 000 Soldaten ein kongolesischer Erfolg, der zudem ohne die Hilfe der Vereinten Nationen erreicht worden wäre.

Kongos Präsident Félix Tshisekedi hatte die Militäroffensive im November anberaumt, um Kritik zu entkräften, er zeigte kein Interesse an der Region. Bei einem Besuch in der Konfliktregion im Oktober verkündete er: »Es dauert nicht mehr lange. In den nächsten Tagen wird unsere Armee alle Feinde verjagen.« Der ehemalige Oppositionspolitiker Tshisekedi war vor einem Jahr durch umstrittene Wahlen an die Macht gekommen. Seitdem regiert er mit Hilfe einer widersprüchlichen Koalition mit dem Parteienbündnis um den früheren Präsidenten Joseph Kabila, das wahrscheinlich durch Wahlfälschungen eine Mehrheit der Sitze im Parlament gewonnen hat. Auch der Loyalität der Armeegeneräle kann sich der Präsident nicht sicher sein.

Einen Großteil seiner bisherigen Amtszeit hat Tshisekedi auf Auslandsreisen verbracht, wo er Verbündete, Geldgeber und Investoren bei ausländischen Regierungen, Bergbaugesellschaften und in der kongolesischen Diaspora zu gewinnen sucht. Im Januar überreichte er Papst Franziskus. eine Gemälde namens »Die Tränen von Beni«. Ein politisches Konzept für den Umgang mit den politischen, sozialen und ökonomischen Problemen und Krisen in der Region Beni und im gesamten ­Osten des Landes liegt hingegen nicht vor. Seit fast zwei Jahrzehnten existieren in der Region mehrere Dutzend bewaffnete Gruppen, die parallel zur staatlichen Armee und Bürokratie, zu internationalen Bergbaukonzernen und humanitären Helfern eine unübersichtliche Form politischer Herrschaft errichtet haben.

Die Massaker der vergangenen Wochen entsprechen einem Muster, das in Kongo im Konflikt zwischen Armee und Rebellengruppen seit Jahren zu beobachten ist: Die Rebellen geben Stützpunkte im Busch schnell auf und weichen den Angriffen der Armee im unwegsamen Gelände aus. Nachdem sie sich neu gruppiert haben, richten sie ihre terroristische Gewalt dann gegen Zivilisten. Damit zeigen die Rebellen der Bevölkerung, dass jede Unterstützung der staatlichen Streitkräfte tödliche Folgen haben kann. Die Armee hingegen gerät unter Legitimationsdruck, da sie offenbar nicht fähig ist, ihren Aufgaben nachzukommen. Kizito Hangi, ein Repräsentant der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Beni, wurde bereits Mitte Januar von Radio France International mit der Einschätzung ­zitiert: »Man kann die letzten Bastionen (der Milizen, Anm. d. Red.) neutralisieren. Aber die Mitglieder werden in der Umgebung bleiben, und sie können sich reorganisieren.«

Die internationalen Bemühungen beschränken sich weitgehend darauf, die Misere zu verwalten. Die Weltgesundheitsorganisation zählte im Januar einen Rückgang der Neuinfektionen mit dem Ebola-Virus; die Krankheit hat in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri mehr als 2 000 Todesopfer gefordert. Im Januar wurden neue Infektionen nur noch in den Regionen um Beni festgestellt. Trotzdem ist die Gefahr einer Neuausbreitung der Krankheit nicht gebannt. Die Blauhelmmission Monusco wiederum ist dabei, sich langsam aus der Region zurückzuziehen, und wird damit endgültig zur lame duck, die in das Geschehen nicht mehr aktiv eingreifen kann. Noch im November kam es in Beni nach ADF-Massakern zu Protesten vor UN-Einrichtungen. Der Monusco fiel dazu nicht mehr ein, als einen »Dialog« mit der Bevölkerung anzuberaumen, auf dem noch einmal das Mandat der Blauhelme erklärt werden soll.