Die Bundesregierung streitet über die Beteiligung von Huawei am 5G-Netz

Falsch verbunden im 5G

Soll Huawei am Aufbau des deutschen 5G-Netzes beteiligt werden? Die Regierungsparteien diskutieren die Frage hitzig, schließlich geht es auch um das Verhältnis zu China.

Seit Monaten tobt ein erbitterter politischer Streit in Deutschland, der Parteien entzweit, Kabinettsmitglieder gegeneinander aufbringt und auch auf europäischer Ebene für Zwietracht sorgt. Dass dennoch in den Medien nicht von einer politischen Krise die Rede ist, liegt wohl daran, dass sich dieser Konflikt in den höheren Sphären der Außenpolitik abspielt und wenig mit den politischen Leidenschaften der Bevölkerung zu tun hat. Es geht um die Frage: Sollen chinesische Konzerne am Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland mitwirken?

Der chinesische Botschafter drohte im Dezember mit wirtschaftlichen Sanktionen seiner Regierung, sollte Huawei vom 5G-Netz ausgeschlossen werden.

Der 5G-Funk ist eine entscheidende Infrastruktur. Für selbstfahrende Autos und die zukünftige digitalisierte Industrieproduktion ist er unerlässlich. Nur vier Firmen auf der Welt sind derzeit in der Lage, ein 5G-Netz aufzubauen: die europäischen Unternehmen Ericsson und Nokia sowie die chinesischen Firmen ZTE und Huawei. Diese arbeiten günstiger als die europäische Konkurrenz und sind ihr auch technisch überlegen. Es gibt allerdings Befürchtungen, Huawei könnte im Dienst des chinesischen Staats Spionage oder sogar Sabotage betreiben. Die Riege der Huawei-Gegner in Deutschland umfasst die SPD-Fraktion, das SPD-geführ­te Außenministerium und den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU). Die Bundeskanzlerin sowie das Wirtschafts- und Innenministerium dagegen wollen Huawei nicht von vornhe­rein ausschließen.

In der vergangenen Woche hat die Bundestagfraktion von CDU und CSU ein Positionspapier mit dem Titel »Deutschlands digitale Souveränität sichern – Maßstäbe für sichere 5G-Netze setzen« beschlossen. »Der mit Blick auf unsere wirtschaftspolitischen Ziele dringend erforderliche rasche Aufbau der 5G-Netze und ihre flächendeckende Verfügbarkeit sind mit den nationalen Sicherheitsinteressen in Einklang zu bringen«, fordert die Fraktion darin. Die Bundesregierung solle möglichst schnell eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes und des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 vorlegen und darin festschreiben, »welche Anforderungen an Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit Telekommunikationsausrüster erfüllen müssen, um sich am 5G-Netzausbau in Deutschland beteiligen zu dürfen«, um so »eine Einflussnahme durch einen fremden Staat auf unsere 5G-Infrastruktur« auszuschließen. Huawei könnte also, falls das Unternehmen diese Bedingungen erfüllen sollte, am Ausbau des 5G-Netzes beteiligt werden.

Tankred Schipanski, der digitalpolitische Sprecher der Fraktion, will ­Huawei nicht vom deutschen Markt ausschließen. Er sagte dem Handelsblatt: »Die Vernunft hat sich durchgesetzt. Kein Anbieter wird von vornherein ausgeschlossen.« Doch die Diskussion wird weitergehen, denn in der nächsten Zeit muss die Unionsfraktion eine gemeinsame Position mit der SPD finden.

Dass die Regierungsparteien in dieser Frage uneins sind, liegt am Verhältnis Deutschlands zu China. Das Land ist einer der wichtigsten Märkte für deutsche Konzerne. Wu Ken, der chinesische Botschafter in Deutschland, drohte im Dezember offen mit wirtschaftlichen Sanktionen seiner Regierung, falls Huawei vom 5G-Netz ausgeschlossen werden sollte, etwa gegen die deutschen Autohersteller in China. VW verkauft dort mehr Autos als in jedem anderen Land der Welt.

In einer ähnlich widersprüchlichen Lage befindet sich die EU. Im vergangenen Jahr bezeichnete die EU-Kommission China in einem Strategiepapier als »systemischen Rivalen« und »ökonomischen Konkurrenten in dem Streben nach technologischer Führerschaft«. Da die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Amtszeit eine »wahrhaft geopolitische Kommission« angekündigt hat, könnte man erwarten, dass die EU eindeutige Maßnahmen gegen einen »systemischen Rivalen« ergreift.

Doch tatsächlich plant die EU dieses Jahr eine große diplomatische Offensive, um die wirtschaftlichen Beziehungen mit China zu vertiefen. Im September soll in Leipzig ein Gipfeltreffen stattfinden, an dem der chinesische Staatspräsident Xi Jinping und Staats- und Regierungschefs aus allen EU-Staaten teilnehmen sollen. Anschließend soll unter deutscher EU-Ratsprä­sidentschaft ein bedeutendes Investitionsabkommen zwischen der EU und China unterzeichnet werden, über das schon seit Jahren verhandelt wird. Die EU will einheimischen Firmen in China erweiterte Marktzugänge sichern und generell die wirtschaftliche Liberalisierung in China forcieren – ähnlich wie US-Präsident Donald Trump es mit einem Handelskrieg versucht.

Derzeit stagnieren die Verhandlungen, es sieht nicht so aus, als könnte das Investitionsabkommen schon 2020 verabschiedet werden. Deshalb wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der derzeitige EU-Ratspräsident Charles Michel im Sommer zu einem Sondergipfel nach Peking reisen. Sollte bis dahin Huawei tatsächlich ausgeschlossen worden sein, dürfte das die Verhandlungen nicht gerade erleichtern. Die EU-Kommission gab kürzlich eine Empfehlung zum Aufbau des 5G-Netzes, in der sie zwar strenge Sicherheitsmaßnahmen anmahnte, sich aber nicht prinzipiell gegen die Beteiligung Huaweis aussprach.
Doch auch die USA üben Druck aus. Für das Land geht es bei der 5G-Frage ums Ganze. Wie die Zeit kürzlich berichtete, ist in internen Dokumenten der NSA davon die Rede, China gehe davon aus, dass »künftige Kriege um natürliche Ressourcen ausbrechen«. In diesem Fall umfasse »die Doktrin des chinesischen Militärs die Störung der Telekommunikationsinfrastruktur und den Cyberkrieg gegen seine Feinde«.

Die US-Regierung hat Huawei mit direkten Sanktionen belegt. Zudem drängen die USA ihre Verbündeten dazu, Huawei von den 5G-Netzen auszuschließen. Japan, Australien, Neuseeland und Taiwan haben das schon ­getan. Doch kürzlich mussten die USA eine Niederlage hinnehmen, als der britische Premierminister Boris Johnson kurz nach seinem Wahlsieg ankündigte, Huawei nur von besonders sicherheitsrelevanten Teilen des Funknetzes auszuschließen. Deutschland hat, dank der EU, deutlich mehr Verhandlungsmacht als das nun unabhängige Vereinigte Königreich, aber auch für die Bundesrepublik ist es nicht einfach, sich in der multipolaren Weltordnung zwischen China und den USA zu positionieren.