In Italien gedachte die Rechte der Opfer kommunistischer Partisanen

Opfermythos auf Italienisch

In Italien gedachten Rechte am »Tag der Erinnerung« der Opfer jugoslawischer Partisanen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die damaligen Racheakte der Partisanen an italienischen Faschisten und Teilen der Bevölkerung vergleichen manche mit der Shoah.

Es war eine illustre Auswahl der italienischen Rechten und Rechtsextremen, die hier zusammenkam. Am 10. Februar versammelten sie sich bei dem Dorf Basovizza in der Nähe der norditalienischen Hafenstadt Triest, um der Ita­liener zu gedenken, die am Ende des Zweiten Weltkriegs Opfer jugoslawischer kommunistischer Partisaninnen und Partisanen geworden waren.

Bestimmt wurde das Bild der Veranstaltung von militärischen Traditionsverbänden, vor allem der Alpini, der italienischen Gebirgsjäger. Über dem Karst wehten aber auch Fahnen der Decima Flottiglia MAS, einer Spezialeinheit der italienischen Marine, die nach der Kapitulation Italiens 1943 an der Seite von Wehrmacht und SS den Kampf gegen Westalliierte, die Jugoslawische Volksbefreiungsarmee und die Partisanen der Resistenza fortsetzte. Umschwärmte Gäste der Veranstaltung waren Giorgia Meloni, die Vorsitzende der neofaschistischen Partei Fratelli d’Italia, und der ehemalige Innen­minister Matteo Salvini von der rechtsextremen Partei Lega. Exponenten des aktivistischen Neofaschismus traten in Basovizza nicht auf, trugen aber auf ihre Art zu der Veranstaltung bei. An über 100 Orten in Italien plakatierten Mitglieder der neofaschistischen Gruppe Casa Pound die Parole »Partigiani Titini – Infami e Assassini« (Titopartisanen – Verbrecher und Mörder).

Anlass der von einer heiligen Messe gekrönten Gedenkzeremonie war der »Giorno del ricordo«. Dieser »Tag der Erinnerung« soll als staatlicher Gedenktag seit 2004 die Erinnerung »an alle Opfer der Foibe und des Exodus aus Istrien, Fiume und Dalmatien« wachhalten. Istrien gehörte seit Ende des Ersten Weltkriegs zu Italien, Fiume, das kroatische Rijeka, seit 1924. Teile Dalmatiens wurden 1941 von italienischen Truppen besetzt. Die slawische Bevölkerung dieser Gebiete unterlag einer strikten Italianisierungspolitik. Im Kampf gegen jugoslawische Partisaninnen und Partisanen begingen auch italienische Truppen Verbrechen an der Zivilbevölkerung. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs rächten sich ­jugoslawische Partisaninnen und Partisanen mit summarischen Hinrichtungen italienischer Beamter und Militärangehöriger und gegen die italienische Bevölkerung gerichteten Gewaltakten. Die Leichen wurden häufig in Karsthöhlen, sogenannte foibe, geworfen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fiel die Region an Jugoslawien; bis in die sechziger Jahre verließen um die 300 000 Italienerinnen und Italiener diese Gebiete, wofür sich das Wort vom »istrisch-dalmatischen Exodus« einbürgerte.

Die Erinnerung an Foibe und Exodus wurde von der italienischen Rechten wachgehalten und miteinander verknüpft, im öffentlichen Gedächtnis jedoch durch die Erinnerung an die Resistenza und den kommunistischen Widerstand in Italien marginalisiert. Dies änderte sich nach dem Ende des Realsozialismus und dem Zusammenbruch der italienischen Kommunistischen Partei (PCI). Im November 1991 kam der damalige christdemokratische Präsident der Republik Italien, Fran­cesco Cossiga, nach Basovizza, wo während der kurzzeitigen Besetzung Triests durch jugoslawische Partisaninnen und Partisanen 1945 Hinrichtungen stattgefunden hatten, und kniete vor dem dortigen Gedenkstein nieder. Ein Jahr später wurde die Karsthöhle von Basovizza zum Nationaldenkmal erklärt, 2004 der 10. Februar als Gedenktag für die Opfer von Foibe und Exodus eingeführt.

Vorangetrieben wurde und wird diese Entwicklung durch die italienische Rechte, die den Antifaschismus als Gründungsdoktrin der Italienischen Republik zu delegitimieren sucht, und jene Linke, die bei ihrer Abwendung vom Kommunismus den Nationalismus entdeckten. Einen Höhepunkt bildete in dieser Hinsicht die diesjährige Ansprache des parteilosen Staatspräsidenten Sergio Mattarella zum Tag der Erinnerung. Er erklärte Foibe und Exodus zur nationalen Katastrophe und behauptete, diese hätten eine »ethnische Säuberung« dargestellt, die eine wehrlose und unschuldige Bevölkerung auf grausame und unterschiedslose Weise getroffen habe. Motiviert dürften diese Aussagen vom Wettbewerb mit der Rechten darum sein, wer am glaubwürdigsten die italienische Nation repräsentiert.

Tatsächlich hat sich weithin die Idee durchgesetzt, die jugoslawischen Par­tisaninnen und Partisanen hätten zwischen 1943 und 1945 ungerechtfertigt und von Expansionsgelüsten motiviert die italienische Bevölkerung in Kroatien und Slowenien angegriffen, um diese zu vertreiben und die Gebiete zu ­erobern. Dabei seien Zivilisten getötet worden, nur weil sie Italiener waren.

Diese Art des Gedenkens ist geprägt von Gleichsetzungen mit der Shoah, was nicht nur in der Rede vom angeblichen Genozid an den istrischen Italienerinnen und Italienern oder von l’olo­causto delle foibe (Holocaust der foibe) zum Ausdruck kommt. So wurden dieses Jahr anlässlich des 10. Februars in Rom, in Anlehnung an die auch in Italien verbreiteten sogenannten Stolpersteine für ermordete Jüdinnen und Juden, Stolpersteine zum Andenken an den Exodus aus Istrien verlegt. Stolpersteine für Opfer der Foibe in Triest sollen in den kommenden Wochen folgen.

Im Gespräch mit der Jungle World macht die Triester Historikerin Claudia Cernigoi darauf aufmerksam, wohin diese Form historischer Mythenbildung mittlerweile führt. So gehörte etwa Ernesto Mari zu den in Basovizza Getöteten. Während der deutschen Besatzung Triests war er Kommandant des ­dor­tigen Gefängnisses, von dem aus Triester Jüdinnen und Juden nach ­Auschwitz deportiert wurden. Heutzutage gilt Mari als unschuldiges Opfer ­jugoslawischen Terrors, seit 2018 trägt das Gefängnis, dessen Kommandant er war, seinen Namen.