Am 29. Februar findet der »Equal Care Day« statt

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Am 29. Februar soll im Rahmen des »Equal Care Day« auf die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit hingewiesen werden.

»We kehr for you«, lautete vor einigen Jahren ein Werbeslogan der stets zu Kalauern aufgelegten Berliner Stadtreinigung BSR. Und in der Tat kann man, wenn man unter der mit »Care« bezeichneten Sorgearbeit alle Reproduktionstätigkeiten versteht, die für das Funktionieren einer Gesellschaft notwendig sind, die Arbeit der Müllabfuhr als Care-Arbeit bezeichnen. Im Kontext der derzeitigen Care-Debatten ist die Tätigkeit der in Leuchtorange gekleideten Dienstleister jedoch eher untypisch, denn sie ist laut, sichtbar und männlich konnotiert. Im Gegensatz dazu steht die oft weniger sichtbare, weniger gut bezahlte Lohnarbeit im Care-Bereich, etwa in der Alten- und Krankenpflege, der Kinderbetreuung oder im Reinigungsgewerbe. Diese wird zu ungefähr 80 Prozent von Frauen geleistet.

Frauen leisten im Schnitt etwa anderthalb Mal so viel private Sorgearbeit wie Männer. In Haushalten mit kleinen Kindern steigt dieses Verhältnis auf mehr als das Doppelte.

Care-Arbeit umfasst außerdem Tätigkeiten, deren Arbeitscharakter sich vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließt: unbezahlte Arbeit, die überwiegend im familiären, häuslichen, also im als privat geltenden Rahmen geleistet wird. Neben den im Haushalt anfallenden Aufgaben sind dies etwa sämtliche Aspekte der Kindererziehung, die Pflege von Angehörigen, Beziehungsarbeit und Zuwendung an Freunde, Kolleginnen oder Nachbarn, sogenannte emotionale Arbeit. Tätigkeiten also, die mit Kümmern und Sorgen, mit Zuneigung oder Verantwortungsgefühl in Zusammenhang gebracht werden, für die Frauen aufgrund der ihnen als natürlich zugeschriebenen sozialen Fähigkeiten und Kompetenzen als besonders geeignet gelten.

Messen lässt sich die Zeit, die täglich fürs Einkaufen, Wäschewaschen, Kümmern, Zuhören, Vorlesen, Staubsaugen, Geburtstagskuchenbacken und so weiter verwendet wird, nur schwer. Noch schlechter berechnen lässt sich die Belastung, die mit der Organisation all dieser Aufgaben einhergeht. Einer deshalb womöglich etwas unscharfen Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2017 zufolge leisten Frauen im Schnitt etwa anderthalb Mal so viel private Sorgearbeit wie Männer. In Haushalten mit kleinen Kindern steigt dieses Verhältnis auf mehr als das Doppelte; in absoluten Zahlen ausgedrückt sind das zweieinhalb Stunden täglicher Mehrarbeit.

Um auf dieses Missverhältnis aufmerksam zu machen und ihm entgegenzuwirken, wurde 2016 der 29. Februar zum Equal Care Day erklärt. Der Aktionstag geht zurück auf eine Initia­tive von Almut Schnerring und Sascha Verlan, die bereits mit Projekten über Gendermarketing und Geschlechterrollenklischees zum Thema Geschlechterungleichheit gearbeitet haben. Jüngst erschien im Berliner Verbrecher-Verlag ihr Buch »Equal Care. Über Fürsorge und Gesellschaft«. Das Datum am Schalttag sei symbolisch gewählt worden, erzählt Verlan der Jungle World. Es gehe nicht darum, noch einen beliebigen neuen Aktionstag zu etablieren, sondern darum, den »unsichtbaren Tag für die unsichtbare Arbeit zu besetzen«.

In ihrem Buch zeigen Schnerring und Verlan, wie der »Gender Care Gap«, also das Missverhältnis zwischen der von Frauen und Männern beruflich und privat geleisteten Care-Arbeit, mit den anderen Gender Gaps – niedrige­res Einkommen und entsprechend niedrigere Renten für Frauen, geringeres Gesundheitsbewusstsein und niedrigere Lebenserwartung für Männer – in Beziehung steht. Sie fordern, Care-Arbeit von den Geschlechterrollen zu ­lösen. Dies müsse bei der Erziehung anfangen, denn die derzeitige Verteilung auf Mütter und andere Frauen reproduziere das ungleiche Geschlechterverhältnis auch bei den folgenden Generationen. Kinder sollten lernen, dass Hausarbeit und Fürsorge zum Leben gehören. Gerade männliche Kinder müssten auch an Vorbildern sehen, dass solche Aufgaben von allen Menschen in ihrem Leben gleichermaßen geleistet werden.

Eine Auslagerung von Care-Arbeit, wie sie insbesondere in wohlhabenderen Segmenten der Gesellschaft durch die Beschäftigung von oft ausländischen Haushaltshilfen, privaten Pflegerinnen und Kindermädchen praktiziert wird, ist für das Autorenduo keine Option. Das Problem werde so nur in ärmere Schichten und Gesellschaften verlagert, die betreffenden Frauen fehlten dann dort am Ende der »Care-Chains«. Schnerring und Varlan zufolge muss Care-Arbeit vielmehr als essentieller Teil des Lebens verstanden und gerecht verteilt werden. Eine Idee, die sie dazu entwickeln, sind lebenslange Care-Konten, auf denen das Geben und Nehmen von Fürsorge verrechnet werden könnte. Diese sollten im Idealfall am Lebensende ausgeglichen sein. Jeder Mensch sei schließlich, zumindest am Anfang und oft auch am Ende seines Lebens, darauf angewiesen, dass andere für ihn sorgen.

»Sorgearbeit ist die nicht verhandelbare und unersetzliche Grundvoraussetzung von Leben und Gesellschaft«, sagt Varlan, dafür fehle allerdings das Bewusstsein. Ein Wirtschaftssystem, »das Care-Arbeit aus seinen Berechnungen und Wertschöpfungsketten ausklammert«, sei zum Scheitern verurteilt. »Die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit« sei »die eigentliche Ursache für viele soziale Ungerechtigkeiten«, fährt er fort.

Für den Equal Care Day am 29. Februar sind in 30 Städten Aktionen geplant. Der Hashtag #unversichtbar soll Care-Arbeit deutlicher sichtbar machen, indem »Held*innen des Alltags« vorgestellt werden. In Berlin organisiert der Sozialverband Deutschland eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema Pflege und Altersarmut. In Bonn wird eine Konferenz mit Workshops über Familienarbeit, Self-care und Umweltschutz stattfinden. Zum Abschluss soll ein Manifest verabschiedet werden, das im Mai im Bundestag präsentiert werden soll.