Grüne, FDP und Linkspartei wollen das Personenstandsgesetz ändern

Seehofer diskriminiert weiter

Eine diskriminierungsfreie Neufassung des Personenstandsgesetzes lässt weiter auf sich warten. Eine Grundgesetzänderung könnte Bewegung in die Sache bringen.

Soll das Grundgesetz wieder einmal geändert werden? Am 12. Februar wurde ein Antrag der Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linkspartei im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages besprochen. Der Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert, soll um die Kategorie »sexuelle Identität« erweitert werden. Der Gesetzestext wurde zuletzt 1994 geändert, als Menschen mit Behinderung in die Aufzählung der Personengruppen aufgenommen wurden, die wegen ihrer besonderen Merkmale nicht diskriminiert werden dürften. Die Forderung nach einer Erweiterung um die sexuelle Identität erheben Verbände wie der LSVD seit Jahren.

Die Gründe dafür, dass die Forderung noch nicht erfüllt wurde, sind viel­fältig. Die SPD, die die Erweiterung im Prinzip auch befürwortet, ist an die Koalitionsvereinbarung mit der Union gebunden. Manche halten eine Änderung für überflüssig, da unter das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit auch sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität subsumiert seien. Andererseits gibt es Zweifel an der Wortwahl für die Gesetzesänderung: Wären nach einer Ergänzung des Artikel 3, Absatz 3, um das Merkmal »sexuelle Identität« hauptsächlich Lesben, Schwule und Bisexuelle deutlicher vor Diskriminierung geschützt, oder würde die neue Formulierung auch trans- und intergeschlecht­liche Menschen einschließen?

Die geladene Sachverständige Anna Katharina Mangold von der Europa-Universität Flensburg sprach sich daher in der Ausschusssitzung dafür aus, durch die längere Formulierung »sexuelle und geschlechtliche Identität« trans- und intergeschlechtliche Personengruppen explizit zu nennen. Inwieweit der Grundgesetzartikel hilft, Menschen wirklich vor Diskriminierung zu schützen, gerade wenn sie von staatlichen Stellen ausgeübt wird, ist eine weitere offene Frage. Die im Ausschuss geladenen Expertinnen und Experten waren sich aber einig, dass eine solche Erweiterung ein wichtiges Symbol und ein klares Zeichen wäre.

Ein Gutachten des Familienministeriums betont das Recht auf Selbstbestimmung und den Schutz der persönlichen Integrität.

Dass Symbolpolitik nicht ausreicht, zeigt der Kampf für das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung und Eigenbezeichnung für transgeschlecht­liche Menschen. Ende 2018 führte die Bundesregierung die dritte Option »divers« für Menschen mit einer »Variante der Geschlechtsentwicklung« ein. Paragraph 45b des Personenstandsgesetzes (PStG) erlaubt es seitdem, mit einer einfachen ärztlichen Bescheinigung den Geschlechtseintrag zu wählen und den Vornamen zu ändern (Jungle World 4/2019). Die Formulierung des neuen Gesetzes machte diesen relativ unkomplizierten Weg auch transgeschlechtlichen Menschen zugänglich, die nun nicht mehr auf die erniedrigende und teure Prozedur angewiesen waren, die das Transsexuellengesetz (TSG) vorsieht. Das TSG galt bereits seit seinem Inkrafttreten 1981 vielen Fachverbänden und Selbsthilfegruppen als reformbedürftig. Mehrere Teile des Gesetzes wurden vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bemängelt und der Gesetzgeber wurde in den Urteilen zu Reformen angehalten. Seit 2011 sind beispielsweise daher keine sterilisierenden Operationen mehr notwendig, um den Geschlechtseintrag ändern zu können .

Die einfache und diskriminierungsfreie Möglichkeit auch für transgeschlechtliche Personen, den passenden Eintrag zu bekommen, hatte jedoch nicht lange Bestand. Die Bundesregierung und vor allem das Innenministe­rium unter Horst Seehofer (CSU) waren der Ansicht, dass die Änderung des PStG ausschließlich für intergeschlechtliche Menschen gelten soll. Am 10. April des vergangenen Jahres ging daher ein Schreiben des BMI an die für Personenstandsänderung zuständigen Standesämter. Darin wurden die Ämter darauf hingewiesen, dass das PStG nur von intergeschlechtlichen Personen genutzt werden dürfe, die »biologisch weder eindeutig dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden«. Ärzte, die transgeschlechtlichen Personen eine Bescheinigung für das Amt ausstellen, machten sich unter Umständen strafbar, drohte das BMI. Diese Anweisung widerspricht der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichthofs und einem Gutachten des Deutschen Institut für Menschenrechte. Das vom Familienministerium in Auftrag gegebene Gutachten kam zu dem Schluss, dass das Recht auf Selbstbestimmung und der Schutz der persönlichen Integrität die Rahmenbedingungen für eine Änderung des Personenstands und des Vor­namens setzen müssten.

Bereits im Mai legte das BMI einen Referentenentwurf zur Reformierung des TSG vor. Das vorgesehene Stellungnahmeverfahren für Fachverbände hatte lediglich eine Frist von zwei Tagen. Die Stellungnahmen kritisierten mehrheitlich die fortgesetzte Ungleichbehandlung von inter- und transgeschlechtlichen Menschen und brachten den Gesetzgebungsprozess vorläufig zum Stillstand (Jungle World 23/2019).

Mitte Dezember vergangenen Jahres urteilte dann das Amtsgericht Münster, dass ein Verfahren nach Paragraph 45 PStG nur von der Geschlechts­identität und nicht von medizinischen Diagnosen abhängen dürfe. Daher sei es verfassungswidrig, transgeschlechtlichen Menschen dessen Nutzung vorzuenthalten. Die Bundesregierung antwortete auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann (Grüne), wie sich die Regierung zu dem Urteil verhalten wolle, sie halte daran fest, dass das Gesetz nicht für transgeschlechtliche Menschen gelte.
Angesichts solch diskriminierender Politik könnte eine Ergänzung des Gleichstellungsartikels im Grundgesetz doch mehr als Symbolpolitik sein und tatsächlichen Schutz vor staatlicher Diskriminierung bringen.