Töten für das Holz
In Rumäniens Wäldern wird aufgerüstet. Das Parlament des Landes verabschiedete im November vergangenen Jahres ein Gesetz, das es den Förstern des Landes wieder erlaubt, sich zu bewaffnen. Die Entscheidung folgte auf den bislang letzten Mord an einem Förster im Oktober 2019. Der Forstbeamte Liviu Pop wurde mutmaßlich deswegen ermordet, weil er illegale Holzfäller erwischt hatte. Dies jedenfalls ist die nahezu einhellige Meinung der rumänischen Öffentlichkeit.
Es wäre nicht der erste solche Fall. In den vergangenen sechs Jahren wurden sechs Förster bei ihrer Arbeit getötet. Der Forstgewerkschaft Silva zufolge soll es im selben Zeitraum insgesamt 650 gewalttätige Angriffe gegeben haben. Immer soll es dabei um das Holz gegangen sein, das widergesetzlich geschlagen worden sei. Selbst die ehemalige Ministerin für Wasser und Wälder, Doina Pană von der Sozialdemokratischen Partei (PSD), behauptet, Opfer der Holzmafia geworden zu sein. Sie war Anfang des Jahres 2018 zurückgetreten und erklärte anschließend, die Holzmafia habe sie mit Quecksilber zu vergiften versucht, weil sie die Geschäfte behindert habe.
Seit den zwei Morden des Jahres 2019 – einen Monat vor Pop war der Förster Radu Gorcioaia mit einer Axt erschlagen worden – berichten rumänische und auch ausländische Medien wieder intensiver über die illegale Abholzung. Auch die Zivilgesellschaft ist aktiv, zu Demonstrationen von Greenpeace kamen in mehreren rumänischen Städten zahlreiche Menschen zusammen. In Bukarest waren es nach Angaben von Reuters 4000 Menschen. Sie forderten zum einen die Aufklärung der Morde und zum anderen eine bessere Überwachung der Wälder.
Doch nicht nur wegen der Morde interessiert sich die Öffentlichkeit für die rumänischen Wälder. Je nach geographischer Einteilung liegen bis zu zwei Drittel der Urwälder Zentraleuropas in den rumänischen Karpaten. Anders als beispielsweise in den stark bewirtschafteten deutschen Wäldern sind die Bäume dort nicht bewusst aufgrund ökonomischer Gesichtspunkte gepflanzt worden, sondern natürlich gewachsen. Sie beherbergen daher eine Fülle von Tierarten. Dazu zählen auch die anderswo ausgerotteten oder gerade erst wieder heimisch gewordenen großen europäischen Raubtiere wie Luchse, Wölfe und Bären. Außer in Polen gibt es so ein Biotop nirgends mehr in Europa.
Die von Menschen weitgehend unbeeinflusste Zusammensetzung des Waldes kann gerade in Zeiten des Klimawandels eine wichtige Rolle für die Wissenschaft spielen. Forscher der Universität Prag untersuchen beispielsweise im Kreis Kronstadt (Brașov), wie ein natürlicher Wald den Klimaveränderungen standhält. Hiervon können die Förster in ganz Europa lernen, wenn es darum geht, die bisher stark holzwirtschaftlich ausgerichteten Monokulturen so umzugestalten, dass sie die Klimaerwärmung und Stürme überstehen. Daher stehen viele Wälder in Rumänien, insbesondere Urwälder, unter dem Schutz des rumänischen Gesetzes oder der EU.
Wer in Deutschland Möbel kauft oder seine Ölheizung gegen eine Pelletheizung eintauscht, kauft vielleicht auch illegal geschlagenes Holz aus einem rumänischen Urwald.
Doch der Wald ist auch ökonomisch von Bedeutung. Das Holz landet überall in Europa. Wer in Deutschland Möbel kauft oder seine Ölheizung gegen eine Pelletheizung eingetauscht hat, kauft vielleicht auch Holz aus einem rumänischen Urwald. Deutschland ist nach Italien, China und Japan der viertgrößte Abnehmer rumänischen Holzes. Den Holzverbrauch zu steigern, gehört durchaus zur Strategie der Bundesregierung. Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft soll einen größeren Anteil des deutschen Energiemixes ausmachen. Woher das Holz jedoch stammt, und damit auch, ob es nachhaltig produziert wurde, ist dabei aber nicht immer kontrollierbar. So wird zwar erfasst, aus welchen Ländern Holz importiert wird. Ob aber österreichisches Holz ursprünglich aus Rumänien importiert wurde, was häufig geschieht, kann in Deutschland nicht mehr nachvollzogen werden. Und es wird nicht nur legal gefälltes Holz verwendet.
Die größten Profiteure des illegalen Holzschlags sind große westeuropäische, meist österreichische Firmen. Sie fällen die Bäume nicht selbst, sondern kaufen sie von der ansässigen Bevölkerung. Das Holz wird dann direkt in Rumänien in den Sägewerken der Unternehmen verarbeitet. Das größte von ihnen gehört der österreichischen Firma Schweighofer (Ende 2019 umbenannt in HS Timber Group), die 2003 ihr erstes Sägewerk in Rumänien in Betrieb nahm. Viele machen sie dafür verantwortlich, dass der Raubbau sich stark beschleunigt und mittlerweile enorme Ausmaße erreicht hat. Zwischen 2014 und 2018 kamen auf 18 Millionen legal abgeholzte Kubikmeter Holz 20 Millionen Kubikmeter illegal abgeholztes, besagen an die Öffentlichkeit gelangte Daten der rumänischen Regierung.
Schon 2015 hatten Journalisten aufgedeckt, wie das System funktioniert. Ein verdeckt gefilmter Mitarbeiter von Schweighofer erzählt im Video freimütig, dass er so viel Holz bekommen könne, wie er möchte. Es wird einfach weniger Holz verrechnet, als tatsächlich geliefert und bezahlt wurde. So umgeht man die Kontrollen, die es auf dem Papier natürlich gibt. Schon vor Jahren wurde eine Hotline eingeführt, unter der jeder Bürger anrufen kann, der den Verdacht hegt, er sei Zeuge illegalen Holzfällens geworden. Mittlerweile gibt es eine eigens entwickelte App, in der man nur das Kennzeichen des jeweiligen LKW eingeben muss, und schon bekommt man von der App gesagt, ob der Laster das Holz legal transportiert. Doch sowohl die Hotline als auch die App gehen am wesentlichen Problem vorbei: Die Laster haben meist legal Holz geladen – nur eben nicht in der vorgeschriebenen Menge und nicht unbedingt aus dem angegebenen Wald. Dies erkennt die App nicht, dafür bräuchte es Kontrollen vor Ort.
Dass diese Kontrollen fehlen, liegt an einem Netzwerk der Korruption, das diejenigen deckt, die die Bäume fällen, um ihren Lebensunterhalt aufzubessern. Dazu gehören neben den Profiteuren bei den Holzfirmen auch Polizisten und Förster, die gegen Bezahlung wegschauen. Wenn ein Hang im großen Stil abgeholzt wird, dann würden korrupte Förster schon einmal Borkenkäferbefall oder Sturmschäden als Gründe vorschieben, sagen rumänische Umweltschützer.
Im rumänischen Umweltministerium beklagt man die eigene Ohnmacht. Der neue Umweltminister, Costel Alexe von der Nationalliberalen Partei (PNL), hat kürzlich vorgeschlagen, den Wald von Satelliten aus zu überwachen. Das zeigt, wie wenig die Regierung ausrichten kann. Radu Melu von der Umweltschutzorganisation WWF Romania hält nichts von der Satellitenüberwachung. Rumänischen Journalisten sagte er, die Lösung sehe er in der Kontrolle vor Ort auf dem Boden, vor der Verladung des Holzes. Nur so könne man auch zuverlässig feststellen, wie viel Holz verladen wird. Der Betrug mit der Menge sei schließlich das größte Problem, für das es bislang keine Lösung gibt. Auch die EU Ebene will den Raubbau bekämpfen. Ihre Holzhandelsverordnung droht illegalen Holzfällern mit hohen Strafen. Doch Anklagen wurden bisher fast keine erhoben.
Schweighofer bestreitet, dass man in illegale Geschäfte verwickelt sei. Der 2017 eingestellte Nachhaltigkeitsmanager Michael Proschek-Hauptmann erklärte Journalisten gegenüber, die Herkunft des Holzes werde streng kontrolliert. Von den circa 650 Zulieferern der Firma habe man acht bereits wegen Unregelmäßigkeiten suspendieren müssen. Rumänische und ausländische Umweltgruppen sind mit der Entwicklung dennoch nach wie vor unzufrieden und fordern, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien einleitet, um die illegalen Rodungen zu stoppen. 2018 hatte man damit im Falle Polens Erfolg. Die polnische Regierung unternimmt seitdem mehr, um die Urwälder des Landes zu schützen. Rumänische Umweltschützer erhoffen sich daher eine ähnliche Entwicklung wie in Polen. Die Abholzung in den rumänischen Wäldern hat schließlich sogar das Umweltprogramm der UN als eine der größten Bedrohungen für die Umwelt in Europa bezeichnet.
Am 12. Februar beschloss die EU-Kommission schließlich, Rumänien einen Monat Zeit zu geben, um etwas gegen den Raubbau am Wald zu unternehmen. Sollte Rumänien dem innerhalb dieser Frist nicht nachkommen, kann ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden.