Bringt der Film »Die Känguru-­Chroniken« den Kommunismus voran?

»Die Känguru-Chroniken«

Seite 3 – Salonlinker Doingdoing-Kommunismus

Der Film »Die Känguru-Chroniken« bietet Albernheiten und maue Witze. Ernsthafte Stoffe brauchen aber ernsthafte Auseinandersetzung.

Von Jürgen Kiontke

Es gibt Menschen, die können ohne die »Känguru«-Geschichten von Marc-Uwe Kling nicht einschlafen. Ob das die beste Voraussetzung für den Erfolg der jetzt anlaufenden Kinoadaption unter der Regie von Dani Levy ist, sei dahingestellt. Überaus populär ist der Stoff allemal.

Zum Film: Das sprechende Tier, das den Berliner Kleinkünstler Marc-Uwe – voll verrückt, der Protagonist heißt genauso wie der Autor! – in dessen Wohnung heimsucht und das sich selbst als Kommunist bezeichnet, kämpft gegen die Verwandlung Berlin-Kreuzbergs in einen Spekulantenfriedhof. Im weltbekannten Görlitzer Park will der Unternehmer Jörg Dwigs einen gigantischen Hochhauskomplex errichten. Dwigs, zugleich Anführer einer rechtslastigen Partei, verkauft »arisch reine« Finanzprodukte. Anleger können nur geprüfte Nationalisten werden. Fürs Grobe hält er sich eine fettleibige Nazi-Schlägerbande.

Marc-Uwe, das Känguru und die Freunde aus der Nachbarschaft wollen die Vorhaben des Immobilienfritzen natürlich verhindern. Zur Gruppe gehört auch die computeraffine Maria, die Marc-Uwe ziemlich toll findet: Die Social-Networkerin ist in der Lage, den Server von Dwigs Firma zu hacken. Auf dass das »Asoziale Netzwerk«, wie sich die Gruppe nennt, das doofe Hochhaus zum Einsturz bringt, bevor es überhaupt gebaut wird.
Gar nicht mal schlecht, ein schwerer und sehr realer Stoff, um den es hier geht, den man aber auch hätte aktualisieren können. Die Handlung spielt im Jahr 2009, als es in Berlin-Kreuzberg noch eingeborene Berliner gab.

Kommunismus bei Popcorn und Coca-Cola konsumierbar gemacht zu haben, ist vermutlich Klings größtes Verdienst als Autor.

Und das Känguru ist wirklich mehr Anarchist als Genosse, es handelt überaus voluntaristisch und hat die revolutionäre Gesamtperspektive nur im Blick, wenn es ihm persönlich nützt. Es ist eher salonlinks. Oder vielleicht Lumpenproletariat. Man könnte mutmaßen: Es ist das Erste, das mit den Mitgliedsbeiträgen türmt.

Aber egal. Wie es sich für eine deutsche Komödie gehört, ist der Film randvoll mit Albernheiten und mauen Witzen. Die im deutschen Kino üblichen Verrenkungen, mit denen dort politische Prozesse dargestellt werden, gibt es hier zuhauf. Es fehlt nur Friedrich Liechtenstein als Karl Marx.
Aber man muss auch fragen: Wo lassen sich die Menschen linke Politik von einem Beuteltier erklären? Milliarden von Kindern im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg sind mit der Figur großgeworden, einen Kommunismus ohne Doingdoing-Verniedlichung können sie sich wohl gar nicht ohne Einschlafstörungen vorstellen.

Andererseits ist das linker Populismus par excellence, und angesichts der derzeitigen Performance linker Politikerinnen und Politiker nicht zu unterschätzen. Sahra Wagenknecht zum Beispiel widmet sich immer mehr »bunten« Themen, etwa ob irgendwer in der Bundesregierung Sex Appeal hat. Wo sie das tut? Im Fachmagazin Playboy. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was als Nächstes kommt – seltsam übrigens, dass man sie nicht für die »Känguru-Chroniken« angefragt hat.

Bei Planungen im Parteivorstand sollte die Linkspartei unbedingt das animierte Känguru im Hinterkopf behalten: Als Nachfolger für den angeschlagenen Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger wäre es sicher schlagkräftig, schon auf dem Filmplakat ist es mit Boxhandschuhen zu sehen. Wäre das ein Zeichen für die Zukunft, eine echte Linke 4.0? Dies wäre die erste Partei, die einen offenkundig virtuellen Vorsitzenden hätte! Der hätte auch in der Youtuber-Szene eine Chance.

Das Blöde an der linken Popularisierung: Sie macht sich meist selbst zum Witz, neigt zu Phantasieuniformen und Privatjets. Kommunismus bei Popcorn und Coca-Cola konsumierbar gemacht zu haben, ist vermutlich Klings größtes Verdienst als Autor. Aber so angenehm sich das anfühlen mag, geht der Stoff doch hier rein, da raus – und im Medienrummel schnell wieder unter.

Der Punkt ist: Popmarxismus ersetzt keine Marx-Lesekreise, wie sie zum Beispiel die Rosa-Luxemburg-Stiftung anbietet. Da wird Marx’ Hauptwerk studiert und diskutiert. Da lernt man wirklich was! Wie heißt es in dem bekannten Lied? »The revolution will not be televised.« Und wie heißt es noch darin? »The revolution will not go better with Coke.«