Bringt der Film »Die Känguru-­Chroniken« den Kommunismus voran?

»Die Känguru-Chroniken«

Seite 5 – Links von mir ist nur die Leinwand

Die Verachtung der Linken für Marc-Uwe Klings Känguru offenbart die blinden Flecken in deren Selbstverständnis.

Von Babsi de le Ordinaireteur

Die meisten Linken hassen den Pop. Und warum? Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Populus ist Lateinisch für »Volk« und alle ideologiekritisch Geschulten wissen ja, dass dies keine emanzipatorische Kategorie ist. Populismus! Auch das noch. Im Wort steckt auch der Po. Im Hass auf den Pop steckt natürlich die Abwehr der analen Lust. Pop ist auch Kulturindustrie, Verrat an der Aufklärung, das Opium der Massen. Bei den ewig Gestrigen auch: die Amis und ihre Popcornkultur! Pop macht dumm und ist ein Instrument der Herrschaft.

Linke finden, Populärkultur könne nie wirklich links sein. Das, mit Verlaub, ist eine große Dummheit.

Da die Linken so schlecht über den Pop denken, überrascht es nicht, dass sie das Känguru des Berliner Autors Marc-Uwe Kling nicht ausstehen können, durch das so schöne Aphorismen popularisiert worden sind wie: »Mein, dein – das sind doch alles bürgerliche Kategorien.« Da gibt sich eine absurde Literarurfigur als Kommunist aus und wird zum Held eines Kinofilms. Das ist Pop in Reinform. Und die Linken? Sagen auch, sie seien Kommunisten, aber der Großkonzern Warner Bros. Entertainment produziert keinen Film über sie. Gemein. Abgesehen davon wollen die Linken das auch gar nicht. Oder sagen das zumindest. Sie finden, Populärkultur könne nie wirklich links sein. Das, mit Verlaub, ist eine große Dummheit.

Man könnte sich freuen, immerhin kämpft mit dem Känguru mal ein Kinoheld gegen Immobilienhaie und deren Nazischlägertrupps. Aber nirgendwo diskutiert es den tendenziellen Fall der Profitrate. Oder wie das nochmal war mit dem Wert und dem Mehrwert.

Links zu sein, erschöpft sich bei vielen Linken im Habitus. Die linke Verachtung für Klings kommunistisches Känguru ist daher vor allem eine Projektionsleistung: Man hasst das Känguru für den eigenen Einkauf im Eine-Welt-Laden, den Konsum von »Solischnäpsen« für die gute Sache im linken Kneipenkollektiv und das Abhalten von Marx-Lesekreisen. Wo praktische Solidarität und Klassenkampf ausbleiben, reagiert man sich am Kulturobjekt ab, um Distinktionsgewinn zu erzielen. Und am Ende ist es wohl auch Neid, der die Linken treibt: Wie konnte nur ein sprechendes Känguru, das am laufenden Band Kalauer ausspuckt, mehr zur Verbreitung linker Ideen beitragen als die eigene zähe politische Arbeit, die keinen Menschen zu interessieren scheint? Ein junger Popliterat erreicht ein größeres Publikum als alle Marx-Lesekreise zusammen. Das ertragen Linke nicht.

Im Kino bei einem Screening der »Känguru-Chroniken« trifft man dann auch eher jene, die distinktionsbewusste Linke abfällig als »Bauchlinke« bezeichnen: ältere Damen, die verstohlen lachen und kontinuierlich seit 2015 Stadtteilarbeit mit Geflüchteten machen; zwei junge Frauen, die mit Glitzer im Gesicht zur Seebrücken-Demonstration gehen wollen; einen Mann, der nicht so viel von tradierten Männerrollen hält.

Während die extreme Rechte in den vergangenen fünf Jahren sehr erfolgreich darin war, ihre Politik zu popularisieren, tut sich die radikale Linke damit derzeit schwer. Dabei tut Kling mit seinem Känguru genau das: Er verschafft linken Ideen Resonanz. Linke Reaktionen auf den Känguru-Film erinnern an die verpasste Chance des Willkommenssommers von 2015. Mehr und mehr Menschen in Deutschland solidarisierten sich damals angesichts der Brutalität der europäischen Abschirmungspolitik ganz von selbst mit den Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und Afrika. Damals schon zeigten viele Linke dafür nur die gleiche Hochnäsigkeit, die sie ein paar Jahre später wieder für die Jugendlichen von »Fridays for Future« übrig haben sollten. Dabei müssten Linke mit ihrem liebgewonnenen Distinktionsgehabe nur minimal zurückhaltender sein. Witze über die SPD und Anarchisten macht Klings Känguru schließlich auch.