Über die Notwendigkeit von ­Verbandsbeobachtern bei höherklassigen Jugendfußballspielen

Geschäft geht vor Antidiskriminierungsarbeit

Der Streit zwischen dem VfB Auerbach und Hertha BSC wegen angeblicher rassistischer Beleidigungen zeigt vor allem eines: ­Verbandsbeobachter müssten bei allen höherklassigen Jugendfußballspielen dabei sein.

Was geschah am 14. Dezember 2019 beim nicht regulär beendeten Regionalligaspiel zwischen den B-Jugendmannschaften des VfB Auerbach und Hertha BSC? Dieser Frage gehen derzeit einige Gremien des Nordostdeutschen Fußballverbands (NOFV) nach. Die ersten Meldungen klangen eindeutig. »Hertha-Nachwuchs erhebt Rassismusvorwürfe«, titelte der Berliner Tagesspiegel, »Hertha BSC mit Rassismusvorwurf« der Kölner Express.

Der Manager des VfB Auerbach, Volkhardt Kramer, bestritt diese ­Vorwürfe allerdings vehement. »So, wie das abgelaufen ist, wirkte es wie inszeniert«, sagte er der Sächsischen Zeitung.

Alles sei so schnell gegangen, »das Foto aus der Kabine und die nur ­Minuten später herausgegebene, gut formulierte Erklärung«, dies habe bei ihm einen »komischen Beigeschmack« hinterlassen. Auch sei der Mannschaftsbus der Berliner »schon vorgefahren, als das Spiel noch nicht offiziell beendet war«, sagte der 68jährige.
Die Verantwortlichen von Hertha BSC schilderten einen anderen Verlauf. »Ich hörte, wie unser Spieler laut rief: ›Ey, wir wollen doch einfach nur Fußball spielen.‹ Es kam zur Rudelbildung«, beschrieb Sofian Chahed, Herthas U16-Trainer, der Bild-Zeitung die Situation. Seine Spieler hätten ihm dann mitgeteilt, dass die Sätze »Wer ist hier im richtigen Land? Verschwinde aus unserem Land« gefallen seien. Daraufhin habe er sich entschieden, das Spiel an ­dieser Stelle abzubrechen, sagte der ehemalige Bundesligaprofi.

Kramer hingegen gab an, dass ihm gegenüber »ein Berliner Betreuer den Vorwurf, einer ihrer Spieler sei als Bananenfresser bezeichnet worden«, geäußert habe. Jedoch habe der Betreuer gesagt, die Beleidigung selbst nicht gehört zu haben. Als der VfB-Manager gefragt habe, weshalb die Berliner das Spielfeld verließen, habe ihm der Trainer von Hertha entgegnet, er solle doch nach Hause auf seinen Bauernhof gehen. Chahed bestätigte seine Wortwahl gegenüber Journalisten, er habe die Worte zu Kramer »aus der Emotion heraus gesagt«.

Patrick Müller, ein Kreisrat der Linkspartei, der das Spiel als Zuschauer verfolgte, beschreibt das Auftreten Chaheds in der zweiten Halbzeit als sehr emotional. Wegen der großzügigen Regelauslegung durch den Schiedsrichter habe der Trainer von Hertha in der zweiten Halbzeit permanent die Unparteiischen und die Auerbacher Bank »verbal bearbeitet«. »Hertha-Spieler betitelten während der Partie ihre Gegenspieler und Zuschauer permanent mit Worten wie, ›Nazi‹, ›Hurensohn‹ und ›Schwuchteln‹. Im Gegenzug gab es dann auch Mal ein ›Spinner‹ zurück. Rassistische Beleidigungen konnte ich nicht feststellen«, schreibt Müller in einer Stellungnahme. »Die Tatsache, dass von den Spielern, die hier als Opfer des Rassismus auftreten, noch sexistische und homophobe Äußerungen kommen, schlägt dem Fass den Boden aus.« Als Konsequenz der Geschehnisse erwarte Müller, »dass Hertha schnellstens personelle Konsequenzen in betreffender Mannschaft beziehungsweise deren Trainerstab zieht«. Der Jungle World sagte Müller, es seien vor allem die jeweiligen Verbände in der Pflicht, »ihren Vereinen Unterstützung anzubieten, zum Beispiel bei der Finanzierung und Installation von Antidiskrimierungsbeauftragten«.

Die Geschehnisse im Vogtland zeigen die Hilflosigkeit der Verbände auf. Der Wunsch nach einem reibungslosen Ablauf des Geschäftsbetriebs und die damit verbundene jahrelange Weigerung, gesellschaftlichen Problemen mit mehr als bunten Imagekampagnen zu begegnen, sorgte dafür, dass der DFB, die DFL und die Regionalverbände versuchten, alle Schwierigkeiten auszusitzen.

Das rächt sich mittlerweile. Die Entscheidung des NOFV offenbart es deutlich. Mitte Februar, zwei Monate nach den Geschehnissen in Auerbach, urteilte das Sportgericht gegen Hertha BSC. Wegen des eigenmächtigen Abbruchs eines Meisterschaftsspiels wird die Begegnung gegen die Berliner gewertet. Zwar geht das Sportgericht davon aus, dass »Berliner Spieler während des Spiels von Auerbacher Spielern rassistisch ­beleidigt worden sind«, jedoch seien diese »Verfehlungen während des Spiels weder den Schiedsrichtern noch anderen Spielbeteiligten beziehungsweise -verantwortlichen konkret und detailliert angezeigt worden«. Zugleich leitete das Gericht weitere sportgerichtliche Verfahren gegen den VfB Auerbach und zwei Spieler des Vereins ein.

»Wir sind sehr konsterniert und unglücklich darüber«, sagte der Präsident des VfB Auerbach, Knut Beyse anschließend. Vor allem habe ihn verwundert, dass im Verfahren der Eindruck entstanden sei, dass das Sportgericht bereits über die beiden Spieler geurteilt habe, obwohl diese nicht einmal Verfahrensbeteiligte gewesen seien. Die Beleidigungen, die von Berliner Spielern ausgegangen sein sollen, habe das Gericht dagegen unbeachtet gelassen. Völlig unverständlich sei aber, dass das Sportgericht auf die Aussagen der beiden unparteiischen Schiedsrichterassistenten verzichtet habe, so der Auer­bacher Präsident. Die beiden Assistenten waren zwar bei der Verhandlung anwesend, machten aber keine Angaben zum Geschehen.

In ihren schriftlichen Stellungnahmen weisen der Schiedsrichter und seine Assistenten den Vorwurf der rassistischen Beleidigung und fehlender Zivilcourage eindeutig zurück. Der NOFV hat sich in diesem Fall ­jedoch dafür entschieden, lieber den Hertha-Spielern Glauben zu schenken. Damit untergräbt er die Glaubwürdigkeit der ehrenamtlich agierenden Schiedsrichter. Wenn es noch eines weiteren Beweises bedarf, dass die Verbände überfordert mit dem Thema Rassismus im Fußball sind, reicht ein Blick auf die Homepage des NOFV. Ende Februar vermeldete der Verband, sein Jugendausschuss schicke Beobachter zu ausgewählten Spielen der ersten fünf Spieltage der Rückrunde in den ­Jugendregionalligen. Zwar wird die Maßnahme in der Mitteilung des Verbands nicht direkt mit den Vorfällen in Auerbach in Verbindung ­gebracht, stattdessen wird allgemein von einer »Zunahme von Platzverweisen durch Tätlichkeiten oder unsportliches Verhalten« gesprochen – offenbar ist dies aber bisher die einzige Reaktion auf den Spielabbruch. Weiter heißt es in der Meldung, man wolle »präventiv und analytisch im Dialog an die Thematik herantreten und einer Zunahme des unerfreulichen Trends entgegenwirken«.

Alle Spiele der Jugendregionalliga zu beobachten, ist von den Verbänden ­finanziell nicht zu leisten. Hier müssten die großen Fußballclubs einspringen oder die DFL müsste Kosten übernehmen. Solange jedoch die Vermarktung im Vordergrund steht und nicht der Sport und die Partizipa­tionsmöglichkeiten, wird eine solche Unterstützung ebenso ­wenig erfolgen wie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diskriminierenden Sprüchen auf und neben dem Fußballplatz. Es wird wohl weitere Spielabbrüche geben.