Ein Porträt der HipHop-Band Shabazz Palaces

Money-Yoga zum Techno-Beat

Afrofuturismus, Kiffersound, »stream of consciousness« – von den Klängen auf dem neuen Album von Shabazz Palaces wird man auf einen fremden, vielleicht besseren Planeten katapultiert.

Sonderlich schwer ist es nicht zu erraten, in welche Tradition das HipHop-Duo Shabazz Palaces aus Seattle sich selber stellt. Dessen Mastermind Ishmael Butler trägt oft weite, bunte Gewänder, um seinen Hals baumeln opulente Ketten und seine Kopfbedeckung sieht aus wie eine Mischung aus Pharaonenkrone und Rüstung. In einem der neuen Songs seiner Band mit dem Titel »Ad Ventures« singt Butler davon, wie er durch die Weiten des Universum saust (»I ride on light (…) hurtling through space on a flight on adventures«). Ebendort hatte sich auch schon das Geschehen auf den beiden Alben, die Shabazz Palaces (»Quazarz vs. The Jealous Machine« und »Quazarz: Born on a Gangster Star«) 2017 veröffentlichten, überwiegend abgespielt.
Richtig, erinnert fühlt man sich da an den großen Jazz-Erneuerer und frühen Afrofuturisten Sun Ra, für den der Weltraum jener utopische Ort war, an dem die schwarze Bevölkerung vor den rassistischen Zumutungen auf dem Planeten Erde Zuflucht suchen (»Space Is the Place«). Am Wiederaufblühen des Afrofuturismus im Pop hatten wiederum Shabazz Palaces schon mit ihren vier Alben im zurückliegenden Jahrzehnt ge­hörigen Anteil. Mit dem neuen Album »The Don of Diamond Dreams« knüpfen sie daran wieder an.

Ishmael Butler, 50 Jahre alt, blickt auf eine so lange wie interessante Geschichte im Musikbusiness zurück: Bekannt wurde er Anfang der Neunziger mit den inzwischen wiedervereinten Digable Planets, einem HipHop-Trio, das sich für damalige Verhältnisse sehr weit Richtung Jazz öffnete und das – ebenfalls alles andere als selbstverständlich – mit ­Ladybug Mecca (Mary Ann Vieira) eine Frau als Mitglied hatte. Im Jahr 2009 dann gründete Butler gemeinsam mit seinem guten Freund und Nachbarn Tendai »Baba« Maraire die Band Shabazz Palaces. Musikalisch haben sie seither an der Entstehung eines völlig neuen Subgenres mitgewirkt: Die Fusion von Psychedelic Pop und Rock mit Dub und HipHop gab es in dieser Form zuvor nicht. 2011 veröffentlichten sie ihr Debüt­album beim berühmten Indielabel Sub Pop, wo Butler inzwischen auch A & R-Manager ist.

Musikalisch haben Shabazz Palaces an der Entstehung eines völlig neuen Subgenres mitgewirkt: Die Fusion von Psychedelic Pop und Rock mit Dub und HipHop gab es in dieser Form zuvor nicht.

Zweierlei ist erfreulich an »The Don of Diamond Dreams«: Zum einen hat Butler durchaus noch einen kritischen Blick, so etwa auf den über­mäßigen Gebrauch des Smartphones, wie im Song »Chocolate Souffle« zu hören und im Clip dazu zu sehen ist. »This is high art / I tear the form apart / my phone’s really not that smart«, lautet der Refrain, im Video sieht man einen mit der Handycam quasi verwachsenen Butler. Dazu passt, was Butler kürzlich dem Magazin Sungenre sagte: Man müsse sich über die Konsequenzen dessen ­bewusst werden, dass gerade eine Generation heranwachse, die keine ­Bezüge jenseits des durch Twitter, Instagram und der Selfiefunktion ­gefilterten Ich kennenlernen würde. Weitere Themen auf »The Don of Diamond Dreams« sind seine Beziehungen zu Freunden und Familie. Butler schreibt über das Verhältnis zu seinem Sohn, der inzwischen als Lil Tracy ebenfalls mit Rap sein Geld verdient (»Fast Learner«), oder darüber, was ihn die Frauen, die er in seinem Leben kennenlernte, gelehrt haben (»Thanking the Girls«).

Zum anderen steckt auch die Musik weiterhin voller Ideen – und sie hat Kraft. In »Fast Learner« gehen etwa die schneidenden Hi-Hat-Klänge über in einen pulsierenden Part mit brummendem Bass und einer mit einem Vocoder veränderten Stimme, ehe kurz darauf eine weitere Klangschicht mit schwirrenden Sounds dazukommt. In »Ad Ventures« dagegen hat man diese brodelnd-vibrierende Bass-Soundfläche, die knapp fünf Minuten lang die Spannung aufrechterhält und den Hörer doch ganz für sich einnimmt.

Entsprechend gut durchgearbeitet und arrangiert sind fast alle Stücke, was einem oft erst beim zweiten Hören auffällt. Zum Beispiel in »Bad Bitch Walking«, das mit einem Trip-Hop-Beat beginnt, sich dann langsam entwickelt und in einen Gesangspart der New Yorker Rapperin Stas Thee Boss mündet. »Money Yoga« praktizieren Butler und Maraire dagegen zunächst zu einem knackigen Techno-Beat; belohnt wird, wer die Meditation mit den Geldscheinen bis zum Ende mitmacht und noch Zeuge des Saxophonparts wird. Auch das abschließende »Reg Walks by the Looking Glass« wird vom Saxophonspiel Carlos Overalls getragen, es wabert ebenfalls entspannt vor sich hin. Von den Gastmusikern ist zudem Bassist Evan Flory-Barnes hervorzuheben, der in auf unauffällige Art und Weise für den Groove in einigen Stücken sorgt.

Während es musikalisch immer wieder überraschende Wendungen gibt, sind die Texte nicht immer überzeugend, »Wet« und »Bad Bitch Walking« etwa wirken eher uninspiriert. »Chocolate Souffle« ist diesbezüglich ein Ausreißer nach oben, in dem Song ist Butler tatsächlich »a black slang acrobat«, wie er singt, ein schwarzer Wortakrobat mit viel Sprachgefühl. Rhythmisch und lyrisch ist dieser stream of consciousness-Rap großes Kino, im wahrsten Sinne des Wortes: »My mise en scène / is carpe diem / cool phrases collect / in the pools of my intellect / then typed into / a data stack you a data rat«, rappt er darin etwa, und es geht auch irgendwie darum, sein Leben als Cupcake oder Schokoladentörtchen zu leben (»live life like a chocolate soufflé«, »live life like a velvet cupcake«). Ein Kiffertraum, dieser Song!

Insgesamt fällt »The Don of Diamond Dreams« kein bisschen ab im Vergleich zu bisherigen Veröffen­tlichungen von Shabazz Palaces. Im Gegenteil: Dieses Album öffnet neue Räume. Die zeitgenössische Elektronik, das Schichten und Samplen von Klangflächen, Clicks & Cuts und Ambientsounds, all diese Techniken und Stile haben ihre Spuren hinterlassen. Was einzelne Passagen betrifft, können einem Musikerinnen und Musiker von Peaches über Noga Erez bis hin zu Animal Collective in den Sinn kommen. Die Grundstimmung des Albums aber gleicht einem psychedelisch-mäandernden Traumzustand, der auf den Hörer und die Hörerin abfärbt und der ­einen auf angenehme Weise sehr weit weg katapultiert. Vielleicht ja auf ­einen fernen Planeten, auf dem der Irrsinn weniger tobt als auf diesem.

Shabazz Palaces: The Don of Diamond Dreams (Sub Pop/Cargo)