Die Anhänger der Hizbollah konnten sich monatelang auf deren Verbot vorbereiten

Verbot mit Ansage

Das Betätigungsverbot für die Terrororganisation Hizbollah in Deutsch­land war ein überfälliger Schritt. Mit ihm hat die Bundes­regierung ihre Fehleinschätzung korrigiert, man könne den politischen Arm der »Partei Gottes« unabhängig vom militärischen betrachten. Allerdings konnten sich die Hizbollah-Anhänger monatelang auf das Verbot vorbereiten.

Am Ende ging es schnell: Nur wenige Stunden nachdem das Bundesinnenministerium das Betätigungsverbot für die libanesische Terrororganisation Hizbollah in Deutschland bekanntgegeben hatte, zogen die Veranstalter des »al-Quds-Tags« in Berlin ihre Anmeldung zurück. Jahr für Jahr waren mehrere Hundert, manchmal sogar Tausende Demonstranten vor allem aus islamistischen Kreisen mitten in der Hauptstadt aufmarschiert, um ihren antisemitischen Hass auf Israel herauszuschreien. Zu den treibenden Kräften gehörten dabei stets Anhänger der Hizbollah, denen im vergangenen Jahr verboten worden war, Flaggen und Symbole ihrer Organisation während der Demonstration in Berlin zu zeigen. Zuvor hatten diese Kennzeichen das Bild der Demonstration geprägt.

Das Vermögen von Vereinen, die die Hizbollah unterstützen, kann künftig beschlagnahmt werden.

Der »al-Quds-Tag« ist eine Erfindung des iranischen Regimes, dessen verlängerter Arm die Hizbollah ist. Seit den Zeiten von Ayatollah Khomeini gehen immer am Ende des Fastenmonats Ramadan nicht nur im Iran, sondern weltweit Islamisten auf die Straße, um für die »Befreiung« Jerusalems – »al-Quds« ist der arabische Name der Stadt – von den Juden und für die Zerstörung Israels zu demonstrieren. In Berlin sollte der Aufmarsch diesmal am 16.Mai stattfinden, ein antifaschistisches Bündnis wollte dagegen demonstrieren. Die Absage des »al-Quds-Tags« ist zweifellos eine unmittelbare Folge des Hizbollah-Verbots.

Überraschend kam der Beschluss von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nicht. Bereits im Dezember hatte der Bundestag einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP angenommen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, ein Betätigungsverbot für die schiitische Organisation zu verhängen, die für zahlreiche Terroranschläge verantwortlich ist und den jüdischen Staat vernichten will. Die Anhänger der Hizbollah in Deutschland hatten also vier Monate Zeit, um sich auf die Razzien vorzubereiten, zu denen es schließlich am Morgen des 30. April kam.

In Berlin durchsuchten Polizisten dabei die Markaz-al-Qaim-Moschee in Neukölln. Sie wird von al-Irschad betrieben, dem nach Angaben der Berliner Senatsinnenverwaltung größten schiitischen Moscheeverein in der Hauptstadt, der auch eine eigene Schule betreibt sowie mehrere Jugendgruppen unterhält. In Bremen wurden die Beamten bei der al-Mustafa-Gemeinschaft vorstellig, in Münster beim Imam-Mahdi-Zentrum und in Dortmund bei der »Gemeinschaft libanesischer Emigranten«. »Die von den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Vereine stehen aufgrund ihrer finanziellen und propagandistischen Unterstützung der Hizbollah im Verdacht, Teil der Terrororganisation zu sein«, gab das Innenministerium an. Auch Privatwohnungen von Vereinsfunktionären wurden durchsucht.

Lange Zeit unterschied die Bundesregierung zwischen dem politischen und dem militärischen Arm der Hizbollah. Während der politische Arm wie eine normale Partei fungiere, sei der militärische für Terrorakte verantwortlich, hieß es. Diese Trennung nahm die Hizbollah selbst allerdings nie vor, sie sieht beide Teile als integral für die Organisation an. Die Niederlande und Großbritannien waren schon früher als Deutschland dem Beispiel der USA und Kanadas gefolgt und hatten die Vereinigung als ganze verboten. Die Bundesregierung hat zur Begründung des Verbots ihre bisherige Einschätzung korrigiert. Die Hizbollah rufe offen zur gewaltsamen Vernichtung des Staats Israel auf, »unabhängig davon, ob sie als politische, soziale oder militärische Struktur in Erscheinung tritt«, heißt es in einer Erklärung des Innenministeriums.

Als Folge des Betätigungsverbots dürfen Anhänger der Hizbollah keine Kennzeichen der Terrororganisation mehr in der Öffentlichkeit zeigen und sich nicht mehr versammeln. Das Vermögen von Vereinen, die die Hizbollah unterstützen, kann beschlagnahmt werden. Vor allem dieser Punkt dürfte von Bedeutung sein, denn die Hizbollah steht schon seit geraumer Zeit unter dem dringenden Verdacht, ihre militärischen und sonstigen Aktivitäten im Nahen Osten nicht nur durch Spenden ihrer Anhänger, sondern auch durch Drogen- und Rohstoffhandel zu finanzieren und dabei auch in Deutschland Geldwäsche zu betreiben.

Da die Unterstützer der Hizbollah – der Verfassungsschutz geht von ­bundesweit 1 050 Personen aus – seit Monaten mit den jüngsten Maßnahmen rechnen mussten, dürften sie Vorsorge getroffen haben. »Ich gehe davon aus, dass man versucht hat, ­Vermögenswerte zu verlagern und Personen außer Landes zu bringen«, ­sagte beispielsweise Tom Schreiber (SPD), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses mit Schwerpunkt Innenpolitik, zu Welt Online. Die Frage sei, so Schreiber, was das Verbot konkret bringe: »Welche Vermögenswerte wurden gesichert, welche Verfahren ­wurden eingeleitet, welche weiteren Erkenntnisse hat man über die Szene gewonnen?«

Dessen ungeachtet wurde der Schritt von vielen Seiten gelobt. Der israelische Außenminister, der US-amerikanische Botschafter in Deutschland, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Politiker verschiedener Couleur – sie alle begrüßten das Verbot. Das iranische Regime dagegen nannte es eine »völlige Respektlosigkeit gegenüber der Regierung und der Bevölkerung Libanons«. Diese Kritik darf man getrost als Bestätigung für die Richtigkeit des Beschlusses betrachten.