Die griechische Regierung hat das Asylrecht verschärft

Mitsotakis macht dicht

Das griechische Parlament hat in der Pandemie eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Nichtregierungsorganisationen befürchten die unzulässige Inhaftierung von Asylsuchenden.

Diesen Donnerstag soll die Quarantäne in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln enden. Sie war zuletzt am 10. Mai um neun Tage verlängert worden. Die Bewohner der Lager gehören zu den Letzten, für die die Einschränkungen wegen Covid-19 gelockert werden. Zuvor wurden Schulen, Geschäfte, Einkaufszentren und Strände wieder geöffnet. Das Land bereitet sich auf den Tourismus vor. Den Abstandsregeln zum Trotz eröffnete der Athener Bürgermeister Kostas Bakoyannis am 14. Mai den frisch renovierten Omonia-Platz in Athen; mehrere Hundert Athener waren anwesend. Einen Tag später entschuldigte sich Bakoyannis: Er habe nicht ahnen können, dass die Eröffnung so viele Menschen anlocken würde.

Am 9. Mai ließ Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der auch Parteivorsitzender der konservativen Nea Dimokratia ist, eine Änderung des Asylrechts beschließen. Es ist die zweite Asylrechtsverschärfung seit Mitsotakis’ Amtsantritt im Juli 2019. Die Opposition verlangte eine namentliche Abstimmung, an dieser konnten auch die nicht im Parlament anwesenden Abgeordneten teilnehmen. 214 von 300 Parlamentariern stimmten ab. Die linke Syriza-Fraktion blieb der Abstimmung aus Protest fern. Die 158 Parlamentarier der Nea Dimokratia stimmten für die Änderung. Es gab insgesamt 56 Gegenstimmen aus der sozialdemokratischen Kinima Allagis, der kommunistischen KKE und der rechtspopulistischen Elliniki Lysi.

Künftig können Asylanträge allein wegen der Staatsangehörigkeit des Antragstellers abgelehnt werden.

Unter den neuen Bestimmungen für Asylsuchende ist es die Regel, ankommende Asylsuchende in geschlossenen Lagern unterzubringen, die Haftanstalten ähneln. Am 14. Mai beurteilte der Europäische Gerichtshof den mehr als einjährigen Aufenthalt von vier Personen in denn sogenannten Transitzonen in Ungarn, nahe der Grenze zu Serbien, als unzulässige Inhaftierung, da die Asylsuchenden die Transitzone »rechtmäßig in keine Richtung verlassen« könnten. Die griechischen Transitzonen haben einen anderen Namen als ihr ungarisches Vorbild, sie werden auf den Inseln nahe der Grenze zur Türkei errichtet. Der Europarat und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen äußerten Bedenken gegen die Lager.

Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und Human Rights 360 veranstalteten am Tag der Abstimmung eine Pressekonferenz, um die Inhaftierung von Asylsuchenden zu kritisieren, die ihrer Ansicht nach bevorstehe.

Asylverfahren sollen beschleunigt werden. Die Einzelfallprüfung wird durch eine Pauschalregel ersetzt. Künftig können Anträge allein wegen der Staatsangehörigkeit des Antragstellers abgelehnt werden. Für die Ablehnung reicht es aus, wenn im Herkunftsland kein offizieller Kriegszustand herrscht. Antragsteller, die im Herkunftsland als Angehörige einer unterdrückten religiösen Minderheit oder wegen ihrer politischen Überzeugung oder sexuellen Orientierung verfolgt werden, bleiben so außen vor. Die Möglichkeit für Flüchtlingsräte, nach Ablehnung eines Asylantrags aus humanitären Gründen das Innenministerium anzurufen, wurde gestrichen. Nichtregierungsorganisationen werden in ihren Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Zudem müssen sie ihre Mitarbeiter in ein Register der Regierung eintragen. Die Türkei gilt weiterhin als sicherer Drittstaat.

Ein abgelehnter Asylantrag gilt als zugestellt, wenn 48 Stunden seit der Versendung der Ablehnung per E-Mail vergangen sind. Ob dem Empfänger im Flüchtlingslager ein ständiger Internetzugang zur Verfügung steht, ist unerheblich. Eine postalische Zustellung der Ablehnung ist nicht vorgeschrieben. Für die übrigen Bewohner Griechenlands gilt eine Zustellungsfrist von zehn Tagen für amtlich verschickte E-Mails.

Das Migrationsministerium wird mit einem Etat ausgestattet, aus dem Aufträge, zum Beispiel für den Bau neuer Lager, ohne Ausschreibung finanziert werden können. Die entsprechenden Ausgabenbelege dürfen nach wenigen Wochen vernichtet werden. Der in Artikel 55 des Gesetzes enthaltene Passus war nicht wie sonst üblich in der Vorveröffentlichung der Gesetzesänderung enthalten, die am 30. April online gestellt wurde.

Asylsuchende haben weniger Rechte als Migranten, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen. Ein Nigerianer bekam vor vier Jahren für einen positiven Asylbescheid. Er lebt seit 20 Jahren in Griechenland, ist berufstätig, hat eine Arbeitserlaubnis, zahlt Steuern und Krankenversicherungsbeiträge. Seit eineinhalb Monaten ist er Vater. Das Kind ist schwer herzkrank. Die zuständige Behörde verweigert jedoch die Behandlung mit dem Hinweis, eine Familienversicherung gelte nicht für einen anerkannten Asylsuchenden, sondern nur für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis.

Der Parlamentsabgeordnete und ehemalige Journalist Konstantinos Bogdanos von der Nea Dimokratia brüstete sich kürzlich damit, dass die Regierung Asylsuchende illegal zurück in die Türkei bringe: Bei sogenannten Push-Backs werden an der Grenze aufgegriffene Asylsuchende sofort wieder zurückgeschickt, ohne die Chance zu erhalten, einen Asylantrag zu stellen. Auf Twitter schrieb Bogdanos, kritische Artikel zum Beispiel in der Syriza nahestehenden Zeitung Efimerida ton Syntakton über Push-Backs seien die »beste Werbung« für die Regierung.