Rumänische Saisonarbeiterinnen und -arbeiter haben sich in Bornheim mit einem wilden Streik einen Teil ihrer Löhne erstritten

Wild streiken statt Spargel ernten

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Wie viel Kampfbereitschaft es dafür brauchte, zeigte sich besonders am Montag vergangener Woche während der Demonstration der rumänischen Saisonarbeiter und der FAU Bonn in Bornheim. Knapp 250 Menschen demonstrierten auf der Route von der Containerunterkunft bis zu dem Feld, auf dem viele der Saisonarbeiter Tage zuvor noch Erdbeeren abgeerntet hatten. Für 15 Uhr waren die Lohnauszahlungen angekündigt worden. Über anderthalb Stunden protestierten Saisonarbeiter, Mitglieder der FAU und Rechtsanwalt Klinke, bis sie durchsetzen konnten, dass die Arbeiter rechtlichen Beistand bei der Auszahlung erhalten. »Es wurde auf Biegen und Brechen versucht, eine anwaltliche Vertretung zu verhindern«, sagte Klinke auf der Pressekonferenz.

In den Gesprächen soll Andreas Willems versucht haben, die verbleibenden Lohnansprüche der Saisonarbeiter mit Kleinstbeträgen und einer Unterschrift auf einer Quittung abzugelten. »Sie sollten so bescheinigen, dass ihnen nicht mehr zusteht. Dagegen habe ich opponiert«, berichtet Klinke. Er setzte sich damit wohl durch. »Ohne Unterstützung sind die Leute, die aus dem Ausland kommen, strukturell unterlegen. Das wird ausgenutzt mit der Macht des Faktischen«, kritisiert Klinke die Methoden des Insolvenzverwalters.

Aus den bisherigen Protesten ziehen alle Beteiligten eine positive Bilanz. »Das Signal ist, dass es sich lohnt, wenn Leute gegen diese Arbeitsbedingungen aufstehen«, sagt Hagedorn. Die Saisonarbeiter haben die Erfahrung gemacht, dass es auch in der deutschen Bevölkerung Menschen gibt, die sich für ihre Lage interessieren. Von Beginn an unterstützte die FAU den Streik. Das schuf Vertrauen zwischen Saisonarbeitern und der Gewerkschaft. Auf der Demonstration sprachen viele Rumänen. »Wir wollen unser Geld«, forderten sie. »Ich arbeite hier seit sechs Wochen«, rief eine Saisonarbeiterin und wedelte mit einem Umschlag herum, der 150 Euro enthielt.

»Das Empowerment ist wichtig«, sagt Hagedorn über die bisherige Zusammenarbeit von Arbeitern und Gewerkschaft. »Hier werden Menschen auf miese Art und Weise betrogen und unter Druck gesetzt. Das ist ein sozialer Kampf.« Doch die von der FAU und den Saisonarbeitern erhobenen Forderungen lägen weit unter dem, was wünschenswert wäre. »Dass wir fordern müssen, dass der deutsche Mindestlohn eingehalten wird – da könnte ich rotieren«, sagt Hagedorn. »Aber es ist die Lebensrealität der Menschen hier und wir versuchen, sie zu verbessern.«

Die Situation in Bornheim hat publik gemacht, was seit Jahren geschieht. »Das ist überall ähnlich skandalös. Als Saisonarbeiter hat man Glück, wenn man Mindestlohn bekommt, wenn die Containersiedlungen nicht verdreckt sind und wenn es fließend Warmwasser und gutes Essen gibt«, kritisiert Hagedorn. Auch bevor der Insolvenzverwalter das Geschäft in Bornheim übernommen habe, seien die Arbeitsbedingungen schlecht gewesen.

Doch wie es scheint, waren viele Saisonarbeiter zuvor bei Ritter zufrieden. Verwunderlich ist das nicht: In den armen Gegenden Rumäniens liegt das durchschnittliche Monatseinkommen bei etwa 100 Euro. Die Ambivalenz der Situation spiegelte sich beim Streik am 18. Mai wieder. Mit einem Porsche, einem BMW und einem VW fuhr Familie Ritter bei den Protesten vor. Ihre Schulden sollen in die Millionen gehen. Viele Saisonarbeiter kommen seit Jahren nach Bornheim. Als sich Arbeiter und Familie Ritter vor dem Büro begegneten, stürmten viele Rumänen freudig auf die Familie Ritter zu. Diese plant trotz der laufenden Insolvenz, wieder ins Spargel- und Erdbeergeschäft einzusteigen. »Wir haben das als befremdlich empfunden, wenn Familie Ritter mit einem Porsche vorfährt, während die Saisonarbeiter um ihren Lohn kämpfen«, sagt Hagedorn.