Das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz und seine Folgen

Freie Republik Policia

Die preisgekrönte Reportage Von

Thomas Kolgan macht heute früher Feierabend. Er wirkt müde und bedrückt. »Die ständige Hetze macht mich fertig.« Auf dem Weg zur Arbeit sah der 34jährige Kriminaloberkommissar im Dezernat Berlin-Spandau ein »ACAB«-Graffito in einer Nebenstraße; bei einer Routinevermöbelung von Verdächtigen fiel sogar das Wort »Arschloch« in der umstehenden Menge. »Die Einschläge kommen näher.« Die Nachricht, dass das Berliner Abgeordnetenhaus ein Gesetz gegen Diskriminierung durch Behörden erlassen hat, ließ ihn zunächst kalt. »Dann erklärte mir ein Kollege, dass auch wir eine Behörde sind. Und ich ein Beamter.« Ein Faustschlag in die Magengrube Kolgans. Und das ausnahmsweise mal ohne zehn Zentimeter Kevlar dazwischen.

»Wenn es jetzt so weit kommt, dass sich Polizisten auch noch an Gesetze halten müssen, zerbricht etwas im Verhältnis zwischen den Gewalt­gebenden und den Gewaltnehmenden«, sagt sein Vorgesetzter Friedrich Zschäpe. »Bei Polizeiarbeit geht es nicht um Vorschriften, sondern um Vertrauen. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen darauf, dass ich sie nicht verprügele. Und ich vertraue darauf, dass sie mich mit allem durchkommen lassen, was ich jeden Tag so verbocke. Ich bin dafür ein­gestellt worden, die Gesetze zu schützen, nicht, um mich an sie zu halten! Wenn das nicht mehr geht, dann ist das nicht mehr mein Deutschland.«

Wir Polizisten haben keine Lobby«, sagt auch Holger Pfanngrad, Sprecher der Polizeigewerkschaft »Deutsche Gewerkschaft der Deutschen Polizei in Deutschland«, einer Organisation mit 100 000 Mitgliedern, einer privaten Lounge im Deutschen Bundestag (»Polizei-Lobby«) und einem gewerkschaftseigenen Düsenjäger (Privatspende Pfanngrad). »An Polizisten denkt niemand, außer die Leute, die wir gerade verprügeln. Darüber sollten die Damen und Herren Ab­geordneten mal nachdenken: Vielleicht ist Gewalt einfach unsere Art und Weise, Aufmerksamkeit zu erzeugen?«

Wen rufen Polizisten an, wenn sie nicht mehr weiter wissen, wenn sie Hilfe brauchen? »Natürlich erst mal die Polizei«, lacht Pfanngrad. »Klar, bei der ganzen Vetternwirtschaft bleibt uns nichts anderes übrig. Aber was, wenn das auch bald verboten wird? Wenn wir Polizisten plötzlich Freiwild werden? Freiwild mit ­Waffen und der Lizenz zum Auf-der-Flucht-Erschießen?« Pfanngrads Stirn wirft Runzeln: »Möglicherweise müssen wir dann auswandern. Unser eigenes Land gründen … den Polizeistaat Policia. Wo Polizisten aus ­allen Ländern friedlich miteinander leben und aufeinander schießen.« Freie Republik Policia – ein Traum, den wir für den Moment mitträumen wollen.

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.