Ein Gespräch mit Ivo Körner, Referent für Kenia und Tansania bei »Caritas international«

»Die Menschen haben mit mehreren Katastrophen gleichzeitig zu kämpfen«

Heuschreckenplage, Überschwemmungen, die Pandemie und ihre Folgen bedrohen die Ernährungssicherheit in Ostafrika. Mehr Hilfe ist erforderlich.
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Für »Caritas international« waren Sie im März in Kenia. Dort haben sich, soweit bekannt ist, bisher etwa 4 000 Menschen mit Sars-CoV-2 ­infiziert. Wie hat die Regierung darauf reagiert?

Viele afrikanische Länder haben die Grenzen relativ schnell dichtgemacht. In Kenia ist der Flugverkehr immer noch stark reduziert, es gibt eine nächtliche Ausgangssperre und die Einwohner der beiden größten Städte, Nairobi und Mombasa, dürfen nicht aufs Land fahren.

Welche Auswirkungen hat das für die Menschen vor Ort?

Man muss sich vor Augen halten, dass wir uns in Deutschland vollständig auf die Bekämpfung von Covid-19 konzentrieren können. Das ist in vielen afrikanischen Ländern völlig anders. Die Menschen dort haben mit mehreren Katastrophen gleichzeitig zu kämpfen. In Kenia und Tansania, aber auch in Uganda, gab es in den vergangenen Monaten Überschwemmungen. Kenia sieht sich gerade mit der größten Heuschreckenplage seit 70 Jahren konfrontiert. Die Ausgangssperren schränken die Leute erheblich ein, viele ­leben von der Hand in den Mund. Da kann es tatsächlich sein, dass deren ­Leben durch den Wegfall des Einkommens stärker gefährdet ist als durch das Virus.

Dass sich viele Menschen nun keine Nahrungsmittel mehr leisten ­können, hängt auch mit einer allgemein instabilen Wirtschaftslage ­zusammen. In vielen ostafrikanischen Ländern können sich Nahrungsmittelproduzenten kaum gegen europäische Produkte behaupten, die dort aufgrund von EU-Subventionen besonders billig ange­boten werden können.

Was auch immer die Gründe für die Knappheit sein mögen – für uns ist es wichtig, auf das Leid der Menschen zu schauen. Viele haben überhaupt nicht genügend Geld zur Verfügung, um sich Nahrungsmittel zu kaufen.

Aber macht die EU-Handelspolitik nicht viele Anstrengungen der ­Entwicklungszusammenarbeit wieder zunichte? Seit Jahren schiebt beispielsweise Tansania die Implementierung eines Handelsabkommens mit der EU auf, weil es dadurch Nachteile für die heimische Nahrungsmittelproduktion fürchtet. Kenia unterzeichnete das ­Abkommen 2014 erst, nachdem die EU hohe Strafzölle auf kenianische Importe verhängt hatte.

Ich sehe es nicht als Aufgabe des Hilfswerks, abstrakte politische Debatten zu kommentieren. Die Gründe, wegen derer Nahrungsmittelknappheit herrscht, sind sehr vielfältig, und das im Detail zu analysieren, würde den Rahmen sprengen. Natürlich gibt es Probleme durch die Globalisierung, den Klimawandel und dergleichen. Aber wir sind dazu da, die Auswirkungen möglichst effektiv zu bekämpfen.

Im April beschloss die EU-Kommission, Entwicklungsländern 15,7 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Folgen der Pandemie zur Verfügung zu stellen. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte, dass das Geld schon vorher eingeplant gewesen war und nur umgewidmet wurde. Wie bewerten Sie das?

Bei Caritas international sind wir abhängig von Projekten, die öffentlich gefördert werden, zum Beispiel vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) oder vom Auswärtigen Amt. Dort reichen wir weiterhin Anträge ein und an dem Vorgehen hat sich auch jetzt nichts ge­ändert. Einen Großteil der Gelder erhalten wir aber aus privaten Spenden.

Was fordern Sie jetzt von der deutschen Politik?

Es gibt Millionen von Menschen, die unter Ernährungsunsicherheit leiden, die nicht genügend zu essen haben. Die Lage ist so desaströs, dass der Bedarf an Förderung für unsere Projekte durch die Ministerien immer noch sehr groß ist.

Also braucht es einfach mehr Geld?

Genau.

Überschwemmungen und Epidemien wird es in Kenia und anderen Ländern der Region wohl auch in Zukunft immer wieder geben. Was müsste auf politischer Ebene passieren, damit derartige Katastrophen die Länder nicht mehr mit dieser Härte und mit solchen wirtschaftlichen Folgen treffen?

Langfristig erfordert es Verständnis für die Situation der Menschen vor Ort und für die Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben. Sie sind mit mehreren Katastrophen gleichzeitig konfrontiert, so dass auch in verschiedenen ­Bereichen reagiert werden muss.

 

Ivo Körner ist Referent für die Länder Kenia und Tansania bei »Caritas international«, dem Hilfswerk des ­Deutschen Caritasverbandes. Um die Folgen von Mangel­ernährung abzumildern, stellt die Caritas Geld und ­Nahrung zur Verfügung. Zur Bekämpfung der Folgen der Heuschreckeninvasion in Kenia hat die Organisation 300 000 Euro bereitgestellt. Mit der »Jungle World« sprach Körner über die Gründe von Hungersnöten und warum sich die Caritas nicht gerne mit Politik beschäftigt.