In Jena marschierte die FDJ – auch Linke protestierten dagegen

Panoptikum im Paradies

In Jena zeigte sich kürzlich das ganze Elend der verbliebenen Linken. Die einen wollen die DDR wieder aufleben lassen, andere verwalten als Regierungspartei die traurige Realität, und eine dritte Gruppe muss sich von Konservativen abgrenzen.

Weder der auf dem Rücken liegende Trabi noch die authentisch anmutenden Blauhemden oder die antiquierten Arbeiterlieder in Dauerschleife – erst die Reaktionen der CDU machten die Retro-Kundgebung der »Freien Deutschen Jugend« (FDJ) auf dem Holzmarkt in Jena vor anderthalb Wochen wirklich zum Spektakel. Mit Parolen wie »Demokratie ermöglicht deine Demo!« und aggressivem »Freiheit statt Sozialis­mus«-Gepöbel blockierten etwa 60 Anhänger von CDU und Junger Union kurzzeitig den Aufmarsch der nach dem Ende der DDR fortwesenden Jugend­organisation. Unterstützung fanden die verspäteten Kalten Krieger der Union bei einigen Sozialdemokraten und Grünen, die sich für eine überparteiliche Front gegen »Extremismus, Revisionismus und Spaltung« einspannen ließen.

Junge Antifaschisten zeigten ein Transparent mit den Konterfeis von Stalin, Mao und Kim Jong-un sowie dem Spruch »Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus, Habibi!«

Die FDJ-Demonstration war Teil ­einer Kampagnentour mit dem Titel: »30 Jahre sind genug! Revolution & So­zialismus!« Die Gruppe bereiste mehrere Städte auf dem Gebiet der ehema­ligen DDR, um gegen die »Einverleibung« der DDR durch den »deutschen Imperialismus«, den aufziehenden Faschismus und den drohenden Dritten Weltkrieg zu demonstrieren. Ihren Abschluss soll die Tour Anfang Oktober zum »Tag der Deutschen Einheit« in Berlin finden.

Die 1936 im Exil gegründete antifaschistische Jugendorganisation wurde in Westdeutschland erstmalig 1951 verboten. Die FDJ in der DDR, die als Massenorganisation in das repressive System der staatlichen Erziehung eingebunden war, wurde hingegen im Zuge der Einigungsverträge zwischen der Bundesrepublik und der DDR le­galisiert. Aufgrund dieser rechtlichen Ausnahmesituation und einer noch ausstehenden juristischen Grundsatzentscheidung kommt es immer wieder zu Gerichtsprozessen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die mit Freisprüchen oder Einstellungen enden (Jungle World 31/2015).

Während sich auf der Gegenkundgebung einige Redner wie der thüringische CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt in antikommunistischer Manier in Rage redeten und ein Verbot der FDJ in Aussicht stellten, störten lediglich einige antiautoritäre Linke das stille Einvernehmen der von beiden Seiten goutierten Reinszenierung der alten Blockkonfrontation.

Viele Passanten schüttelten angesichts der ideologischen Überreizung nur mit dem Kopf. Als die rund 30 FDJler nahe des Inselplatzes eine große Straßenkreuzung blockierten, provozierten sie bei Auto- und Motorrad­fahrern auch aggressivere Reaktionen und Hupkonzerte. Die Straße wolle man nicht freigeben, solange die Gewalt anhalte – damit kritisierte ein ­Anhänger der FDJ unter anderem den Pfeffersprayeinsatz der Polizei gegen sieben Antiautoritäre, die zuvor versucht hatten, die Route der FDJ zu blockieren. Als die Demonstration nach einiger Zeit ihren Weg fortsetzte und kurz vor dem Holzmarkt in die Löb­derstraße einbog, war von dieser innerlinken Solidarisierung nicht mehr viel übrig. Als sich der FDJ einige junge ­Antifaschisten mit Transparenten in den Weg stellten, auf denen unter an­derem die Konterfeis von Stalin, Mao und Kim Jong-un sowie der Spruch »Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus, Habibi!« abgebildet waren, durchbrachen einige FDJ-Anhänger gewaltsam die friedliche Blockade und lösten damit selbst einen Polizeieinsatz aus. Das Jenaer Medienportal Libertad Media sprach von »kleineren Rangeleien« und dokumentierte einen Blockadedurchbruch auf Video.

Die versuchte Vereinnahmung von Linken wie auch die Konfrontation hatten System: Lieferte man sich am Straßenrand harte Wortgefechte, appellierte man bei anderer Gelegenheit pathetisch an die innerlinke Solidarität. Zwar vertrete man unterschiedliche Posi­tionen, jedoch habe man »zum Teil« dieselben Gegner, sagte ein FDJ-Sprecher kurz vor dem Abschluss der Demonstration am Holzmarkt. Zu dieser bizarren Logik gehört wohl auch die sehr spezielle Form der Israel-Solidarität, mit der die FDJ-Mitglieder auf der Demonstration ebenfalls kritische Linke überzeugen wollten. In einem älteren Flugblatt mit der Überschrift »Solidarität mit Israel und Palästina heißt Kampf gegen den deutschen Imperialismus!« behauptete die Gruppe, der »deutsche Imperialismus« habe den Holocaust als »Kriegswaffe« eingesetzt, »um seine Profite zu steigern«. Als ­Ursache des Holocaust wird damit ein Kapitalinteresse imaginiert, während die politische Führung und die Bevölkerung indirekt von ihrer Verantwortung für den Vernichtungsantisemitismus freigesprochen ­werden. Kritische Linke zeigten sich davon unbeeindruckt und skandierten Sprechchöre wie »Nie wieder Deutschland« und »Ganz Jena hasst die FDJ«.

Der Tag klang mit einer anarchistisch geprägten Protestkundgebung im ­Paradies-Park unter dem Motto »Linksradikales Jena – für eine freie Stadt­gesellschaft« aus. Wie Libertad Media berichtete, verwahrte sich dort ein Redner der sich selbst als anarchosyndikalistisch verstehenden Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) gegen den wiederholt aus den Reihen der FDJ erhobenen Vorwurf ab, die Antifaschisten machten durch ihren Gegenprotest gemeinsame Sache mit Polizei und Kapital.

Die von dieser abendlichen Kundgebung ausgeschlossene Partei »Die Linke«, die in Thüringen den Ministerpräsidenten stellt, blieb an diesem Tag weitgehend unauffällig. »Wir haben definitiv genug damit zu tun, uns mit echten gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, und möchten deswegen eigentlich keine Energie darauf verwenden, uns an Grüppchen wie der FDJ abzuarbeiten, die zu einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft nichts beizutragen haben«, sagte die Sprecherin des Stadtvorstands der Jenaer Linkspartei, Julia Lang­hammer, der Jungle World.