Small Talk mit Christian Mors über den Fall Nurhan Soykan und islamistische Strategien der öffentlichen Einflussnahme

»Wühlarbeit der Islamisten«

In der vergangenen Woche ernannte das Auswärtige Amt Nurhan Soykan, die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, zur ständigen Beraterin im Referat Religion und ­Außenpolitik. Nach heftiger Kritik an Soykans Verharmlosung antisemitischer Demonstrationen und ihrer organisatorischen Nähe zur nationalistisch-islamistischen Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (Atib) lässt das Außenministerium die Zusammenarbeit vorerst ruhen. Christian Mors, Mitarbeiter der kürzlich erstmals erschienenen Zeitschrift Tapis – Analysen zur islamistischen Rechten, hat mit der »Jungle World« gesprochen.

Halten Sie die Kritik an Soykan für berechtigt?

Ja, ich würde Soykan in der islamistischen Rechten verorten und halte die Kritik für gerechtfertigt.

War die Ernennung Soykans ein einmaliger Ausrutscher?

Der Vorgang zeigt eher exemplarisch, wie die Strategie des interreligiösen Dialogs und die politische Wühlarbeit legalistischer ­Islamisten funktioniert. Er ist die Spitze des Eisbergs.

Wie sieht diese Wühlarbeit aus?

Islamisten bauen lokal kleine Organisationen auf. Ein Zweck dieser Gruppen ist es, den interreligiösen Dialog mit christlichen oder jüdischen Gemeinden zu führen, um so an Akzeptanz zu gewinnen. Andere Organisationen werden aufgebaut, um im Bereich des Antirassismus zu arbeiten und Zuspruch bei Linken zu sichern. Dann gibt es Vereine, die die rechten Ansichten im muslimischen Milieu verbreiten und sich Legitimität verschaffen sollen, indem sie eine größere Unterstützerschaft simulieren, als sie tatsächlich haben.

Wegen der öffentlichen Kritik lässt das Auswärtige Amt die Zusammenarbeit mit Soykan ruhen. Ist das ein Anzeichen dafür, dass in der Öffentlichkeit mittlerweile ein Bewusstsein für die Gefahr des Islamismus besteht?

Ja. Das Thema hat in den vergangenen Jahren größere Aufmerksamkeit bekommen, und nicht nur aus einer Richtung. Es waren ja nicht nur beispielsweise Vertreter der CDU, die diese Personalie kritisiert haben, sondern auch Mitglieder der Linkspartei. Der Vorfall zeigt, dass das Thema nicht mehr nur von einer Partei berücksichtigt wird, sondern dass sich Vertreter sehr unterschiedlicher politischer Richtungen kritisch zum Islamismus äußern.

Ihre Redaktion bezeichnet den Islamismus ausdrücklich als rechtsextrem. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Wir lehnen es ab, den Islamismus zu exotisieren als Phänomen, das außerhalb der gängigen politischen Kategorien besteht. Islamistische Personen und Gruppen vertreten Ansichten, die eindeutig rechts beziehungsweise rechtsextrem sind. Die Muslimbruderschaft, Millî Görüş und Anhänger des iranischen Regimes beispielsweise sind antiaufklärerisch, frauenfeindlich, LGBT-feindlich, antisemitisch und hassen die Freiheit der Kunst und der Presse. Das ist eindeutig rechts. Der Kampf gegen rechts ist nur vollständig, wenn er den Kampf gegen den Islamismus einschließt.

Für die Linke müsste eine rechtsextreme Bewegung ein Gegner sein. Wie beurteilen Sie den Umgang deutscher Linker mit dem Islamismus?

In den vergangenen Jahren hat sich in dieser Hinsicht etwas verändert, es gibt auch von linker Seite mehr Kritik am Islamismus als zuvor. Probleme der linken Auseinandersetzung mit dem Islamismus hierzulande sind auch Unwissenheit und mangelnde Methodik: Recherche zu Islamisten läuft anders als die Recherche zu Nazis und Kameradschaften.

Wie will Ihre Zeitschrift diesen Mangel beheben?

Wir wollen eine Plattform zur Veröffentlichung von Rechercheergebnissen zur islamistischen Rechten bieten. Eine Berichterstattung über den legalistischen Islamismus gibt es erst seit einigen Jahren, in der Tagespresse geht sie aber eher unter. Wir wollen Erkenntnisse über Akteure und Strukturen im deutschsprachigen Raum in einem Magazin zusammenfassen.