Small Talk mit Marlis Fuhrmann (Linkspartei) über die Räumung der Neuköllner Kiez­kneipe »Syndikat«

»Von der Räumung distanzieren«

Am 7. August wurde die linke Kiezkneipe »Syndikat« in Berlin-Neukölln nach 35 Jahren ihres Bestehens ge­räumt. Marlis Fuhrmann ist stadtentwicklungspoliti­sche Sprecherin der Fraktion »Die Linke« in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln und hat mit der »Jungle World« über die Vorgänge gesprochen.
Small Talk Von

Das »Syndikat« wurde unter einer Landesregierung geräumt, an der die Linkspartei beteiligt ist. Was entgegnen Sie Kritikern?

Wir haben uns bemüht, die Räumung zu verhindern, waren aber nicht erfolgreich.

Was haben Sie unternommen?

Die Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln hat auf Initiative der Fraktion »Die Linke« die Ver­waltung beauftragt, die Räumung abzuwenden und eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Der Investor Pears hat am Ende nicht einmal mehr rea­giert. Im Abgeordnetenhaus hat unsere Partei mit Niklas Schrader versucht, auf den Innensenator Andreas Geisel (SPD) einzuwirken. Wir sind aber bei der SPD damit nicht durchgedrungen.

Am Ende hat sich also das Kapitalinteresse durchgesetzt. Was wollen Sie künftig dagegen unternehmen?

Wir brauchen Gesetze, die das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen. Pears ist auch Eigentümer einer Vielzahl von Berliner Wohnungen. Es sollen zwischen 3 000 und 6 000 Wohneinheiten sein. Das Unternehmen gehört daher auf die Liste der Initiative »Deutsche Wohnen und Co. Enteignen«.

Sie kritisieren, dass Innensenator Geisel den heftigen Polizeieinsatz zur Durchsetzung der Räumung angeordnet hat. Müsste Ihre Partei nicht die Koalition in Frage stellen, wie es die Alternative Liste 1990 tat, die nach der Räumung der Mainzer Straße das Regierungsbündnis mit der SPD aufkündigte?

Nein. Ich sage immer: Besser den grauen Spatz in der Hand als die weiße Taube auf dem Dach. Den Senatsposten für Stadtentwicklung und Wohnen sollte man nicht aufgeben.

Sie haben nach der Räumung des »Syndikat« eine Pressemitteilung herausgegeben, die die Überschrift trug: »Syn­dikat-Hausbesitzer Pears-Global nicht davonkommen lassen.« Was soll das konkret bedeuten?

Es muss immer wieder thematisiert werden, dass ein Unternehmen, das in Neukölln Kiezkultur und das Engagement für die Stadtpolitik von unten zerstört, in Charlottenburg nicht den Mäzen mit einem eigenen Bildungscampus geben kann. Das darf die Stadtgesellschaft nicht ignorieren.

Fast zur gleichen Zeit, als das »Syndikat« geräumt wurde, gelangte an die Öffentlichkeit, dass der Senat eine Vereinbarung ausgehandelt hat, die auch zu einer Neugestaltung des Hermannplatzes führen dürfte. Ist da nicht ein neuerlicher Konflikt mit Stadtteilinitiativen programmiert, die sich seit Monaten gegen die Pläne aussprechen?

Die »Letter of Interest« (LOI) genannte Vereinbarung zwischen der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH und dem Senat verknüpft den Erhalt von Kaufhausstandorten mit weiteren städtebaulichen Projekten in Berlin. In dem LOI steht, der Neubau am Hermannplatz soll rasch nach Plänen der Signa-Holding durchge­zogen werden. Das sehen die Stadtentwicklungsämter der beiden betroffenen Bezirke, viele in Partei »Die Linke« und linke Initiativen anders. Wir sagen, dass nichts ohne die Bezirke geht. Wir brauchen einen Nahversorger am Hermannplatz und kein Prestigeprojekt für Investoren. Die Absichtserklärung muss daher wieder in die Diskussion kommen. Da ist sich »Die Linke« mit vielen stadtpolitischen Initiativen ­einig.