Rui Hos Album »Lov3 & L1ght«

Angenehm subversiv

Platte Buch Von

Rui Ho gehört zu einer Riege von Musikproduzenten, die die Erfahrung der Diaspora in eine Form von Clubmusik überführen, die zwischen Tradition und Futurismus oszilliert, Formstrenge gegen das Experiment ausspielt und trotz hochspezifischer regionaler Bezüge einen losgelösten Internationalismus propagiert. Bei der seit vier Jahren in Berlin lebenden Produzentin klingen die Ergebnisse solcher Synthese allerdings oft nach der transkulturell verunfallten Ver­sion von Stadionpop und somit interessanter als das Gros zeitgenössischer elektronischer Musik.

Das gilt umso mehr für »Lov3 &  L1ght«, ihr Debütalbum für das britische Label Planet Mu, auf dem Rui Ho erstmals als Sängerin in Erscheinung tritt. Nachdem die Produzentin auf jeweils zwei EPs für das chinesische Label Genome 6.66Mpb sowie Objects Ltd. vorwiegend polierte Highspeed-Clubmusik geboten hatte und sich zuletzt auf »In Pursuit of the Sun « mit chinesischer Folklore auseinandersetzte, geht es jetzt in 38 mehr als dicht bepackten Minuten deutlich konventioneller zu. Die zehn Stücke werden mal von Reggaeton- und R ’n’ B-Rhythmen getragen, sind mit viel Autotune versehen und spielen auch mit Anleihen bei ­J-Pop-Klassikern oder der Musik von David-Lynch-Filmen. Zusammengehalten wird diese disparate Mischung von Themen wie Migration und Liebeswirrungen, zudem setzt die Platte die Auseinandersetzung mit der Transidentität der Musikerin fort.

So offenbart sich unter dem zuerst albern erscheinenden Titel »Lov3 & L1ght« ein differenziertes musikalisches Geschehen, das sich ähnlich wie das kürzlich veröffentlichte neue Album von Arca und in der Tradition von The Knife oder ­Planningtorock als Diskussionsbeitrag für ein nichtbinäres Popverständnis empfiehlt; ebenso sucht es auf Tracks wie »Exodus ’12«, »Hundred Thousand Ways« oder »Fire Walk with Me« den Kompromiss zwischen avanciertem Dancefloor und Hintergrundmusik für den Umkleideraum. So sehr sich das theoretisch nach Trash-Affirmation anhört, so angenehm subversiv klingt es in voller Länge.


Rui Ho: Lov3 & L1ght
(Planet Mu)