Die prekären Arbeitsbedingungen in Clubs

Arbeitslos durch die Nacht

Die Covid-19-Pandemie stellt auch die Clubszene vor große Heraus­forde­rungen. Die ohnehin prekären Arbeits­bedingungen wurden noch schlechter.

Von der Tür und bis zum Tresen, von der Garderobe bis zur Gästeliste arbeiten Menschen, um die Clubszene am Laufen zu halten. Die wenigsten der dort Beschäftigten kennen ihre Rechte – Betriebsräte gibt es kaum. Prekär war ihre Situation häufig bereits vor der Covid-19-Pandemie.

Mehr als 9000 Beschäftigte allein in Berlin zählt die Clubcommission, ein Interessenverband Berliner Party- und Kulturveranstaltungsbranche, in ihrer Studie »Clubkultur Berlin« von 2019. Davon sind lediglich 28 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 40 Prozent in sogenannten Minijobs, 20 Prozent sind selbständig und zehn Prozent ehrenamtlich tätig. Im Schnitt beschäftigt ein Club 33 Arbeitskräfte. »Dass die Arbeitsbedingungen in der Clubszene oft prekär sind, ist vielen in der Branche schon bekannt, wenn sie anfangen«, erzählt Lutz Leichsenring, der Pressesprecher der Clubcommission, der Jungle World.

Zu Beginn der Pandemie seien fast alle Festangestellten in Kurzarbeit geschickt worden, sagt er. Diese Lösung ist für eine Branche, in der Gehälter häufig unter 800 Euro netto im Monat liegen, alles andere als maßgeschneidert. Viele Minijobber wurden in unbezahlten Urlaub geschickt, bis der sie beschäftigende Club wieder öffnen kann. Von pandemiebedingten Entlassungen weiß Leichsenring bislang nichts. Im Sommer hatten einige Clubs ihre Außenbereiche als Sektgärten und Freiluftsitzdiscos wiedereröffnet und einen Teil der Belegschaft aus der Kurzarbeit geholt.

Der Berliner Technoclub »Berghain« wird die partyfreie Zeit mit der Aus­stellung »Studio Berlin« der Boros Foundation überbrücken. Kunstbegeisterte Angestellte des Clubs werden durch die Ausstellung führen, erklärt Mitar­beiterin Rosa*. Einem Dossier des Wirtschaftsdatenportals »North Data« zufolge arbeiten im »Berghain« mehr als 250 Menschen (Stand: 2018). Mit Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wurde voriges Jahr ein Betriebsrat gegründet. Dieser hat wegen der Pandemie eine Vereinbarung ausgehandelt, die betriebsbedingte Kün­digungen bisher ausschließt.

In den 15 Jahren ihrer Arbeit in der Branche erlebte Rosa eine Professionalisierung der Szene: »In den nuller Jahren ist fast nur schwarz gearbeitet worden. Die Arbeitszeiten waren völlig egal.« Die hohe Fluktuation der Belegschaft in vielen Clubs habe die Situation nicht gerade verbessert. »Es gab immer etliche Arbeitswillige, die nachrücken und denen Arbeitsbedingungen egal sind, weil sie in dem Job nicht lange bleiben.«

Mittlerweile erkämpfen sich die Clubarbeiter und -arbeiterinnen mehr Rechte und Repräsentation – vor allem in Clubs mit linkem Selbstverständnis. Im Berliner Technoclub »About Blank« gibt es seit sieben Jahren einen sogenannten Clubrat, der ähnlich wie ein Betriebsrat funktioniert. Der kollektiv betriebene Club »Mensch Meier« zieht nach. Das »About Blank« ist genossenschaftlich organisiert, dort gibt es einen einheitlichen Stundenlohn von zwölf Euro für alle Beschäftigten, der auch für das 14köpfigen geschäftsführende Kollektiv gilt. Im »Mensch Meier« werden in der Regel zehn Euro gezahlt. Ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis biete das »About Blank«, solange es ausreichend Arbeitsvo­lumen gibt, heißt es auf Anfrage der Jungle World. In der Branche ist das eine Seltenheit.

Von diesen Fortschritten in der arbeitsrechtlichen Organisation sind DJs bislang ausgeschlossen. Das beschreibt Nadine Moser, die unter dem Namen Resom auflegt. »Die meisten DJs sind in den Neunzigern hängengeblieben, was Arbeitsbedingungen anbetrifft. Ehrlich gesagt wird einfach nicht viel ­darüber nachgedacht«, sagt sie der Jungle World. DJs sind so gut wie immer selbständig – das gilt auch für die sogenannten Residents, die regelmäßig in einem bestimmten Club auflegen. Für viele sei das attraktiv und biete künstlerische Freiheit, so Moser. Doch die Künstlersozialkasse (KSK) und das Finanzamt behandeln das Musikauf­legen häufig nicht als Kunst, son­dern als Dienstleistung. DJs müssen deswegen Sozialversicherungsbeiträge ­häufig komplett selbst zahlen und einen Umsatzsteuersatz von derzeit 16 entrichten statt der ermäßigten fünf Prozent, die für künstlerische Tätigkeiten üblich sind.

Die Auftragslage vieler international auftretender DJs wie Moser hat sich mit den pandemiebedingten Reisebeschränkungen verschlechtert. Die ­Coronasoforthilfen des Bundes und der Länder für Soloselbständige können in den meisten Fällen nur für die Betriebskosten in Anspruch genommen werden, was vielen DJs nicht hilft. ­Inzwischen bekommt Moser wieder Anfragen für kleinere Open-Air-Ver­anstaltungen. »Im Winter wird es kritischer – vor allem für die Clubs«, sagt Moser. Trotzdem bleibt sie positiv: »Es ist ein Privileg, was wir DJs machen. Und es war schon immer prekär. Mike Banks von Underground Resistance ­(einem Technokollektiv aus Detroit, Anm. d. Red.) ist immer noch Auto­mechaniker. Nur zehn Prozent der DJs können davon leben. Der Rest macht es aus Passion.« Diese Leidenschaft wird sicherlich die Pandemie überstehen. Ob dies auch für die Clubs gilt, bleibt abzuwarten.

* Name von der Redaktion geändert.