Nobelpreise ohne Gähn-Faktor

Gentechnik, die begeistert

Laborbericht Von

Die Bekanntgabe der mit Nobelpreisen ausgezeichneten Forschungsleistungen im Oktober gilt als das Highlight des Wissenschaftsjahres, ist aber aus journalistischer Sicht oft recht unergiebig. Themen wie »optische Pinzetten« – Nobelpreis für Physik, 2018 – taugen einfach nicht als clickbait, und bei der Auszeichnung 2016 im selben Fach für die Forschung an »topologischen Phasenübergängen und topologischen Materiephasen« mussten selbst Wissenschaftsredakteurinnen mit Physikdiplom erst einmal herausfinden, worum es da eigentlich geht.

Auch die diesjährige Nobelpreiswoche begann relativ unspektakulär mit der Auszeichnung in der Kategorie Physiologie oder Medizin für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus. Das ist ohne Frage verdienstvoll – aber Wissenschaft mit »Wow!«-Effekt ist eben doch etwas anderes.

So wie etwa die Forschung zu Schwarzen Löchern, für die es dieses Jahr den Preis für Physik gab, und zwar gerecht verteilt auf Theorie und Praxis. Die eine Hälfte ging an den prominenten Kosmologen Roger Penrose, der (in Zusammenarbeit mit dem 2018 verstorbenen Stephen Hawking) mathematisch bewiesen hatte, dass die Schwerkraftmonster tatsächlich existieren müssen. Die andere Hälfte des Preises erhielten Reinhard Genzel und Andrea Ghez. Sie hatten den praktischen, wenn auch indirekten Nachweis für die Existenz Schwarzer Löcher geliefert, und zwar durch die Beobachtung von Sternen, die enorm schnell um das Zentrum unserer Milchstraße herumrasen; diese Bewegung ist nur dadurch zu erklären, dass sich dort ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet.

Nicht honoriert wurde leider das im vergangenen Jahr veröffentlichte erste Foto eines Schwarzen Lochs. Da der Nobelpreis nur an Einzelpersonen, maximal drei pro Fach, vergeben werden kann, das Fotoprojekt aber eine Kollaboration von über 200 Beteiligten an 13 Instituten war, war wohl schlicht nicht zu entscheiden, wem der Preis am meisten zustünde.

Eine ähnliche Frage dürfte sich bei der Vergabe des Chemienobelpreises für die sogenannte Genschere Crispr / Cas9 gestellt haben; in diesem Fall nicht wegen der großen Auswahl, sondern weil zwischen den nun ausgezeichneten Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier einerseits und dem leer ausgegangenen MIT-Forscher Feng Zhang andererseits ein Patentstreit schwelt. Preiswürdig ist das Verfahren jedenfalls allemal: Glich der Versuch, Gene dort einzubauen, wo sie hin sollen, bis dahin einer Lotterie, lassen sich ausgewählte DNA-Schnipsel mit Hilfe von Crispr / Cas9 zielgenau platzieren. Die »Genschere« ist inzwischen als Standardwerkzeug aus den entsprechenden Labors nicht mehr wegzudenken.

Insgesamt also ein herausragender Nobel-Jahrgang, und auch in einem weiteren Punkt bemerkenswert: Zum zweiten Mal in der Geschichte des Preises wurden, die Literaturnobelpreisträgerin Louise Glück mitgezählt, vier Frauen ausgezeichnet, nur einmal waren es mehr. Vielleicht sind die Nobelpreise ja doch nicht so verstaubt und unzeitgemäß, wie Kritiker gerne behaupten.