Der Schelmenroman »Der falsche Schah« von Leonard F. Seidl

Der Schah-Besuch

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Sommer 1967 im romantischen Rothenburg ob der Tauber. Unter den Altanen des mittelalterlichen Rathauses tritt Schah Mohammad Reza Pahlavi hervor, Hand in Hand mit seiner Gemahlin Farah Diba. Der tradi­tionelle Schäfertanz wird aufgeführt, der Oberschäfer vollführt einen besonders hohen Sprung und ruft: »Ein Hoch den edlen Gästen.« Die aufgebrachten Demonstranten sind rechtzeitig zuvor vom Platz geknüppelt worden. Und so könnte dieser Besuch ohne Zwischenfälle über die Bühne gehen, wenn der Schah nicht in Rothenburg einen Doppelgänger hätte, seinen astrologischen Zwilling, der ihm nicht nur zum Verwechseln ähnlich sieht, sondern auch Farsi gelernt hat. Bartholomäus König, ein Schuldirektor mit schauspielerischer Hochbegabung, kann es seinerseits kaum erwarten, die Bühne der Weltpolitik zu betreten. Denn mit dem Schah teilt er sich weit mehr als nur das Geburtsdatum. Als er am Rande der Festlichkeiten den Ort aufsucht, wohin auch der Kaiser von Persien zu Fuß hingeht, steht er dort plötzlich seinem Ebenbild gegenüber. Der Schah ist entsprechend verdutzt. Verdutzt sind auch seine Leibwachen, die herausfinden müssen, welcher nun der wahre Schah ist. Das sollte in Rothenburg kein Problem sein, denn dort gibt es ein mittelalterliches Foltermuseum, mit allen Schikanen, von deren Einsatz selbst der damals wie heute berüchtigte iranische Geheimdienst nur träumen kann.

Leonhard F. Seidl erzählt in dem Schelmenroman »Der falsche Schah« mit vielen Abschweifungen die Lebensgeschichte eines anarchistischen Schuldirektors. Vieles haben Bar­tholomäus König und Reza Pahlavi gemeinsam, vieles unterscheidet sie: Beider Väter waren glühende Verehrer Hitlers, aber die Söhne haben je unterschiedliche Konsequenzen daraus gezogen. Der Erzähler widerspricht sich selbst, bringt immer neue Einwände, verliert den Faden und findet doch immer den Weg zurück zu den Geschehnissen im Folter­museum. Die Schelmerei wird frech bis zur letzten Zeile fortgeführt. Am Schluss hat Nietzsche noch einen kleinen Auftritt.

Leonhard F. Seidl: Der falsche Schah. Aus dem Leben eines fränkisch-bayerischen Hochstaplers. Volk-Verlag, München 2020, 192 Seiten, 13,90 Euro