Verbotene rechte Vereinigungen

Verbote mit Beigeschmack

Vier extrem rechte Vereinigungen ließ Bundesinnenminister Horst Seehofer im Jahr 2020 verbieten. Zuletzt traf es die »Sturm-/Wolfs­brigade 44«, eine Gruppe, die vor allem mit plumpen Graphiken auffiel.

Auf den ersten Blick wirkt es konsequent: Gleich vier extrem rechte Organisationen ließ Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im vergangenen Jahr verbieten. Im Januar 2020 traf es »Combat 18 Deutschland«, eine Gruppe mit international berüchtigtem Namen und rechtsterroristischer Tradition. Im März folgte die Vereinigung »Geeinte deutsche Völker und Stämme« aus der Bewegung der sogenannten Reichsbürger. Im Juni löste Seehofer die Gruppe »Nordadler« und am ­­1. Dezember noch die »Sturm-/Wolfsbrigade 44« auf.
Also vier harte Schläge gegen die extreme Rechte? Ganz so einfach ist es nicht. Manche der Verbote werfen Fragen auf. Verboten wurden auch Gruppen, die sich dumm anstellten oder es mit der Verehrung für Adolf Hitler übertrieben.

Das anschaulichste Beispiel dafür liefert das jüngste Verbot, die »Sturm­brigade 44« mit ihrem Ableger »Wolfsbrigade 44«. Die Ziffer 4 steht für den vierten Buchstaben im Alphabet; DD ist eine Abkürzung für die Division Dirlewanger. Die von Oskar Dirlewanger geführte SS-Sondereinheit war im Zweiten Weltkrieg unter anderem bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstands für zahlreiche schwerste Kriegsverbrechen verantwortlich. Sie ging ­besonders brutal vor, was sie für Neonazis äußerst attraktiv macht.

Das Truppenkennzeichen der SS-Einheit findet sich auf zahlreichen Gra­phiken der »Sturm-/Wolfsbrigade 44«. Überhaupt scheint der Graphiker zu den tatkräftigsten Mitgliedern der Neonazigruppe gehört zu haben. In der am 1. Dezember im Bundesanzeiger veröffentlichten Verbotsverfügung finden sich insgesamt 35 Symbole der Gruppe, sie sind oftmals mit Hakenkreuzen und gelegentlich mit SS-Runen versehen. Zum Vergleich: In der Verbotsverfügung von »Combat 18 Deutschland« sind nur sieben Graphiken aufgelistet.

Die Ermittlungsbehörden waren geraume Zeit vor dem Verbot auf die »Sturm-/Wolfsbrigade 44« aufmerksam geworden. Wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung hatte die Bundesanwaltschaft bereits am 30. Juli 2019 Durchsuchungen bei sechs Beschuldigten und vier nicht ­tatverdächtigen Personen vornehmen lassen. Zweck der Razzien war es, nä­here Erkenntnisse über die Gruppe zu erlangen und festzustellen, ob Mitglieder im Besitz von Waffen waren. Über Waffenfunde bei den damaligen Raz­zien wurde nichts bekannt. Bei den jüngsten Durchsuchungen fand die Polizei eine Armbrust, eine Machete, Ba­jonette und Messer, also Waffen, die in Deutschland frei verkäuflich sind.

Die Behörden waren durch den Fund einer Tasche mit Waffen und einem ­T-Shirt mit dem Aufdruck »Sturmbrigade 44 Köthen-Anhalt« im Frühjahr 2018 auf die Gruppe gestoßen. Köthen (Anhalt) soll auch einer der Schwerpunkte der Vereinigung sein. Eine Durchsuchung in Sachsen-Anhalt scheiterte am 1. Dezember, weil das Ver­waltungsgericht Halle und das Oberverwaltungsgericht Magdeburg deren ­Begründung als nicht ausreichend erachtet hatten. Hingegen gab es in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Hessen Durchsuchungen, wo Angaben der Behörden zu­folge acht von 13 Mitgliedern leben.

Zu ihnen gehört Informationen des ARD-Hauptstadtstudios zufolge der »Präsident« der hierarchisch organisierten »Brigade«, Daniel K. aus Korbach, der zudem Mitglied der Naziband Sturmrebellen sein soll. Etliche Graphiken der Rechtsrockband ähneln denen der »Sturm-/Wolfsbrigade 44« stark, allerdings verzichtet die Kapelle auf verbotene Symbole. Eine Vorliebe für Stielhandgranaten ist unübersehbar, am liebsten gekreuzt wie im Kennzeichen der 36. Waffen-Grenadier-Divi­sion der SS, die im Februar 1945 aus der Truppe Dirlewangers und anderen Einheiten gebildet wurde. Die Alben der Sturmrebellen sind bei den im Rechtsrockgeschäft wichtigen Labels »PC Records« und »Das Zeughaus« erschienen.

Mitglieder der »Sturm-/Wolfsbri­gade 44« sind also keine Unbekannten im Nazimilieu. Doch es ist schwer, die Gefährlichkeit der Gruppe zu beurteilen. Das Bundesinnenministerium führt in der Verbotsbegründung unter anderem an, sie wolle einen nationalsozialistischen Staat errichten. Allzu weit sind diese Pläne aber nicht gediehen.

Ähnliche Ziele hatte auch die Gruppe »Nordadler«. Die Mitglieder traten im Internet in Verbindung, auch über offene Messenger-Dienste wie Telegram. Ein Mitglied postete auf Facebook zustimmend Zitate von Reinhard Heydrich. Nachdem die Bundesanwaltschaft 2018 gegen die »Nordadler« wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt hatte, sagte die Führungsfigur Wladislav S. dem NDR, er sei Nationalsozialist.

S. war bereits im Dezember 2017 zu 100 Sozialstunden verurteilt worden, weil er einem ehemaligen Kameraden, der zum Islam konvertiert war und sich zum »Islamischen Staat« (IS) bekannte, bei der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags geholfen hatte. S. hatte gefilmt, wie der Jihadist in einem Park in Northeim einen Sprengsatz getestet hatte, und diesem anschließend das Video überlassen.

Die Terrorermittlungen der Bundesanwaltschaft störten die »Nordadler« offenbar nicht. Auf ihrer Website propagierten sie ein völkisches Weltbild, in Thüringen hatten sie schon ein Haus für ein Siedlungsprojekt erworben. Die Immobilie, die weder über Strom noch fließendes Wasser verfügte, wurde nach Angaben des Innenministeriums zum Zeitpunkt des Verbots im Juni nicht mehr von der Gruppe genutzt. Der Sprecher des Bundesinnenmi­nisteriums, Steve Alter, teilte anlässlich des Verbots auf Twitter mit, die Gruppe habe »vorwiegend im Netz« agiert. Bei den Durchsuchungen im Zuge des Verbots stellte die Polizei Mobiltele­fone, Speichermedien und Laptops sicher, aber keine Waffen.

Ergiebiger war in dieser Hinsicht das Verbot der Reichsbürger-Gruppe »Geeinte deutsche Völker und Stämme«. Bei den Durchsuchungen, die Ende März in zehn Bundesländern ausgeführt wurden, fanden die Polizisten abgesägte Schrotflinten und Armbrüste. In einem Vorort von Dresden wurden Beamte mit einem Luftgewehr bedroht. Amtsträger zu bedrohen, gehörte schon zuvor zu den Lieblingsbeschäftigungen der Stammesanhänger. So schrieben Mitglieder der Gruppe Drohbriefe an Gerichte und kündigten an, Beamten und deren Familienangehörigen die Finger abzuschneiden, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. See­hofer verbot die Vereinigung, da »in unserer Gesellschaft kein Millimeter Platz« für Rassismus und Antisemitismus sei.

Das Verbot von »Combat 18« kam im Januar 2020 nicht überraschend, und das gehörte zu den größten Schwächen der Verfügung (Umzug im Sumpf). Über Jahre war ein Verbot angedroht worden, so dass die Mitglieder der rechtsterroristischen Vereinigung gewarnt waren. Die Durchsuchungen im Zuge des Verbots blieben entsprechend unergiebig. Mitglieder von »Combat 18«, einst als bewaffneter Arm des in Deutschland bereits vor 20 Jahren verbotenen Neonazinetzwerks »Blood & Honour« gegründet, hatten die Zeit ­genutzt und eine passende Ersatzorganisation gegründet: die »Brothers of Honour«.

So bleibt bei Seehofers Verboten ein fader Beigeschmack. »Combat 18« war vorbereitet. Bei der »Wolfsbrigade« und den »Nordadlern« ist fraglich, welche Relevanz sie in der extremen Rechten hatten und welche Gefahr von ihnen wirklich ausging. Zahlreiche Neonazigruppen und -netzwerke bestehen unbehelligt weiter, was auch daran liegen dürfte, dass sie klug genug sind, nicht jedes Bildchen auf Whatsapp, Telegram oder Facebook mit einem Hakenkreuz zu versehen.