IMPRINT: Auszug aus "Ich will frei sein, nicht mutig. Frauenstimmen gegen Gewalt", herausgegeben von Naïla Chikhi und Rebecca Schönenbach

Die Geschichte einer saudischen Frau

Jede Frau, die in einer Beduinengemeinschaft im Süden von Saudi-Arabien aufwächst, kennt die repressive Misogynie in der vom Wahhabismus durchdrungenen Gesellschaft aus eigener leidvoller Erfahrung. Unter Inkaufnahme großer persönlicher Risiken wagen Frauen es dennoch, gegen Gewalt und Unterdrückung aufzubegehren.
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Überall auf der Welt unterscheiden sich Frauen hinsichtlich Herkunft, Sprache, Identität und sozialer Klasse und doch durchleben alle Frauen letztlich die gleiche Tortur: den Überlebenskampf gegen die Gewalt in dieser Welt zu gewinnen, den Kampf um Bürgerrechte und um gleich­berechtigte Behandlung durch Regierungen und Gesellschaft. Unsere ­Unterdrückung wurzelt in allen ­Aspekten des Lebens, in der Religion, der Medizin, der Literatur und der Philosophie.

Das hat es unserem ­Geschlecht äußerst schwer gemacht hat, im Laufe der Geschichte die ­Gewalt zu bekämpfen. Gewalt gefährdet das Leben von Millionen von Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt, obwohl viele Anstrengungen unternommen wurden, dem Phänomen zu begegnen. Die Wechselwirkungen der sozialen Umgebungsfaktoren, die zu Gewalt führen, sind so komplex, dass sie nicht auf eine einzige Kultur oder Gesellschaft reduziert werden können. Ihre Faktoren sind in allen sozialen Strukturen zu finden, deren Gesetze, Politik und Überzeugungen von Geschlechter­rollen durchdrungen sind.

Aufgrund meiner Vertrautheit und engen Verbundenheit mit der feministischen Bewegung im Nahen Osten vergeht kein Tag, an dem ich nicht eine Geschichte über von Männern vergewaltigte oder getötete Frauen höre. All diese Gewalt ist durch fragile Gesellschaften geprägt, in denen Frauen die Last und die Folgen von Fehlern tragen, die sie nicht begangen haben. Frauen im Nahen Osten, insbesondere arabische Frauen, ­sehen sich zwar mit verschiedenen Problemen konfrontiert, aber alle mit der gleichen Brutalität. Jeden Tag verlieren Frauen in diesem Teil der Erde ihr Leben – unter Beteiligung ihrer Regierungen, während der Rest der Welt wegschaut. In den Jahren meines Lebens in Saudi-Arabien habe ich den Schmerz dieser Frauen durchlebt, wurde durch ihre Tragödie berührt, habe diese selbst gespürt, und jetzt ist es an der Zeit, dass ich da­rüber spreche.

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