Lothar Fritzes neues Buch gefällt Rechtsextremen

Gegen Antifa, Big Tech und Establishment

Lothar Fritze, emeritierter Professor und langjährige Mitarbeiter des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts, hat sein neues Buch in einem neurechten Verlag veröffentlicht.

»Es ist nicht das erste Mal, dass er seine Kollegen in Bedrängnis bringt«, schrieb die Sächsische Zeitung 2018 über den Gastauftritt von Lothar Fritze in Schnellroda. Dort hielt der Mitarbeiter des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT) eine Rede im Rahmen der Winterakademie des neurechten Instituts für Staatspolitik (IfS) über »die Faszination des Marx’schen Denkens«. Auch wenn seine Teilnahme an der Winterakademie und Publikationen in der neurechten Zeitschrift Sezession auf Kritik stießen, betätigt sich der mittlerweile emeritierte Professor weiterhin als Stichwortgeber des rechtsextremen Milieus. »Kulturkampf. Moralischer Universalismus statt Selbstbehauptung?« heißt sein kürzlich im neurechten Verlag Jungeuropa veröffentlichtes Buch, das von rechtsextremer Seite in höchsten Tönen gelobt wird.

»Wer wissen will, wie der Sieg von Antifa, Big Tech und Establishment gestoppt werden kann, muss Fritze lesen«, heißt es im rechtsextremen Blog »PI News« in einer Rezension. Die krude Zusammenstellung der Begriffe kommt nicht von ungefähr. Fritze wirft großen Teilen der »politisch-medialen Klasse« vor, die allmähliche »Entmachtung von Nationalstaaten durch Souveränitätsverzicht« und eine »Verlagerung von Kompetenzen auf supranationale Ebenen« zu forcieren; so hatte er sich 2017 in der Sächsischen Zeitung geäußert.

Das konnte man bereits vor mehr als 170 Jahren im »Kommunistischen Manifest« von Karl Marx und Friedrich Engels lesen. Die »Bourgeoisie« habe »alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört«. Weiter heißt es: »Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ›bare Zahlung‹.«
Doch was Marx und Engels als revolutionäres Moment der ansonsten von ihnen kritisierten Bourgeoisie lobten, lehnt Fritze, wie alle Vertreter eines reaktionären Antikapitalismus, als Ausdruck »eines individualistisch-universalistischen Weltbilds« der »kosmopolitischen Eliten« ab. Dem stellt er das vermeintliche Denken und Fühlen derjenigen gegenüber, »die am Fortbestand des deutschen Volkes und des deutschen Nationalstaates interessiert sind und die nationale Identität erhalten möchten«. Mit dieser Gegenüberstellung stößt er nicht nur bei vielen Rechten, sondern auch bei manchen Linkspopulisten auf Zustimmung.

Fritze fürchtet demographische Veränderungen in europäischen Ländern durch einen Geburtenrückgang und Migration. Dieser Prozess werde von einem Teil der »Elite« als »vermeintlich unausweichlich« hingenommen. Von einem anderen Teil der »Elite« werde er »begrüßt und entweder aktiv befördert oder aus pragmatischen Erwägungen vorübergehend gedrosselt«. »Relevante Vertreter« dieser »Elite« begriffen den demographischen Wandel »als Verwirklichung eines auf der politischen Tagesordnung stehenden Zukunftsprogramms«. Folglich zeichneten Teile der »Eliten« und nicht die ab­strakte »kapitalistische Globalisierung« für die »Zerstörung von Nationalstaaten« verantwortlich. Fritzes Rede von diesem »Zukunftsprogramm«, bei dem Geburtenrückgang und Migration zu entscheidenden demographischen Veränderungen führen, weist Parallelen zur rechtsextremen Verschwörungstheorie vom »Großen Austausch« auf, deren Verfechter eine angebliche planmäßige Ersetzung der angestammten Mehrheitsbevölkerung durch Migranten bekämpfen wollen.

Fritze betont im Nachwort seines Pamphlets, dass er es nicht für ausgeschlossen halte, »dass die Menschheit unter die Herrschaft einer global vernetzten, transnationalen, an keine Gemeinschaft und kein Territorium gebundenen ›Geldelite‹ gerät, die einen moralischen Universalismus zwar im Munde führt, selbst aber im Dienste eigener Interessen agiert.« Diese Argumentation erinnert an den antisemitischen Topos vom wurzellosen jüdischen Finanzkapital. In der ihm verhassten globalisierten Zukunft treffen Fritze zufolge milliardenschwere Einzelpersonen und Familienclans die wirtschaftlichen Entscheidungen oder beeinflussten sie über Konzern- und Bankmanager.

Bereits im Jahr 2000 löste Fritze einen kleinen Historikerstreit aus, als er in einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau den Hitler-Attentäter Georg Elser als eines antifaschistischen Gedenkens unwürdige Person beschrieb. Elser habe mit seinen Bombenanschlag im Münchner Bürgerbräukeller den Tod von Unschuldigen in Kauf genommen, zudem habe er als einfacher Arbeiter gar nicht die Tragweite seiner Handlungen überblicken können, so Fritze. Schon damals bekam Fritze nicht nur von der Jungen Freiheit und anderen extrem rechten Medien viel Beifall. Auch viele Konservative hatten Elser das Attentat auf die NS-Führung lange verübelt. Seine Verwandten wurden noch bis in die siebziger Jahre angefeindet.

Insgesamt hat Fritze immer wieder Themen aufgegriffen, bei denen sich Konservative und extrem Rechte nahe kommen. In dem Buch »Die Moral des Bombenterrors. Alliierte Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg« von 2007 widmete er sich ebenfalls deutschen Bombenopfern. Mit seinen neuen Buch bleibt sich Fritze also treu.