Die Angst vor der Diagnose für den Hund ist größer als die vor der Tierarztrechnung

Unterm Messer

Cocolumne Von

Nicht alles geht so schnell wie der Coronatest von Aldi. Während ich diese Zeilen schreibe, liegt die kleine Coco unter Vollnarkose auf einem OP-Tisch. Es ist nur ein CT und eine Biopsie, ihre zweite schon, um endlich herauszufinden, was mit ihrem linken Vorderbein los ist. Ein Jahr lang humpelt der kleine Hund schon mehr oder weniger auf drei Beinen, hat Schmerzen, aber die Ärztinnen, und wir waren bei vielen und haben sie fürstlich entlohnt, wissen nicht weiter. Bei der Biopsie wird zur genaueren Untersuchung ein Stück Knochen der Elle entnommen. Schlimmstenfalls bringt die Biopsie das Ergebnis, dass es sich um eine nicht heilbare Krankheit handelt, Krebs oder so. Dann wird es eng für den Hund, wenn nicht, wird es aber auch schwer, dann folgt die nächste OP. Natürlich kann es auch sein, dass wir ganz viel Glück haben und irgendwas völlig anderes diagnostiziert werden kann, etwas, das mit Tabletten zu heilen wäre.

Oder aber gleich klingelt das Telefon und der Professor sagt, sorry, da ist nichts zu machen, vielleicht wäre es besser, sie nicht mehr aufwachen zu lassen. Oh Gott. Das will man sich gar nicht vorstellen. So ein Hund wächst einem schon sehr ans Herz. Klar, es ist nur ein Tier, aber irgendwie auch nicht. Also von Seiten des Tiers schon eher, aber von Seiten seiner Menschen her ist es ein vollwertiges Familienmitglied. Der Hund ist ja nicht zufällig ein Spätaufsteher, ein Frechdachs, ein Clown, ein Sonnenschein. Ich will es nicht Erziehung nennen, das würde meine Rolle dramatisch überbewerten, aber Prägung ist zweifellos gegeben. »Haben wir schon über Geld gesprochen?« fragt der Chirurg bei der Abgabe des vor Angst am ganzen Körper zitternden Hündchens. Nein, hat man nicht und will man auch lieber nicht. Ab welcher Summe sagt man: »Schläfern Sie ihn lieber ein«? Ärztinnen wissen das und sagen daher in solchen Fällen in der Regel eher Dinge wie: »Wollen Sie ihm nicht diese Schmerzen ersparen?« Das klingt dann schon viel besser.

Aber auch das will man natürlich nicht hören. Hören will man: »Bald hüpft die Kleine wieder ausgelassen über die Wiese.« Darauf hoffe ich, während
ich hier sitze. Das Ergebnis der Biopsie kommt in zehn Tagen. Heute sitzt hier neben mir ein noch völlig zugedröhnter, trotzdem sehr vorwurfsvoll auf seinen frischen Verband blickender kleiner Hund. »Wie konntest du das zulassen?« wird sie mich fragen.

Das wird sie natürlich nicht fragen. Es ist nur ein Hund. Aber ich werde mir das einbilden. Denn ich bin ein Mensch und Projektionen sind unsere große Spezialität. Der Hund hingegen ist Spezialist darin, als Überträger unserer Stimmungen zu wirken, unser Unbewusstes zum Ausdruck zu bringen. Man steckt da tief im Bereich der Psychologie, speziell der Manipulation. Aber das ist ein anderes Thema, jetzt zählt erst mal nur die Chirurgie. Gib dein Bestes, Knochenmann!