Eine Hommage an Kendrick Lamar

Living life like rappers do

Kendrick Lamar ist nicht nur der beste HipHopper der Welt, sondern auch der größte Geschichtenerzähler der Gegenwart. Warum seine Rap-Stücke einen auch dann erreichen, wenn man nicht aus Compton, sondern aus der deutschen Mittelschicht stammt. Eine Hommage.
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Unsere Urteile über Kunstwerke, unser Geschmack sind nichts, was aus dem Nichts käme. Geschmack ist ungleich verteilt, Standpunkte sind durch unsere Milieus, über Klassenzugehörigkeit, über Bildung und ­Lebensort geformt. Ich vermute, dass sich das Bewusstsein dafür verfeinert hat, dass auch das Geschichtenerzählen ein Geschichtenmachen ist. Und dafür, wie die Möglichkeiten, dies zu tun, sich mitunter unterscheiden. Aber oft ist es keine Frage der »objektiven« Kompetenzen, sondern auch eine Frage, was überhaupt als Fähigkeit als solche gelten kann und in welchem sozialen Umfeld – und welche Eigenheit oder welcher Habitus dabei helfen, überhaupt eine Geschichte erzählen zu können. In bestimmten Milieus werden Bücher geschrieben, in anderen gilt kaum etwas als so verwerflich wie der Versuch, sich selbst künstlerisch, musikalisch ausdrücken zu wollen.

Nicht jedem erscheint es gangbar, sinnvoll oder plausibel, ein Buch zu schreiben wie dieses. Oder es erscheint idiotisch, ein Album mit musikalischen Geschichten aufnehmen zu wollen. Viele bedingende Faktoren dafür, ob dies anerkannt wird oder als abwegig gilt, sind kaum beeinflussbar – das Geschlecht, das Selbstverständnis im eigenen Elternhaus, dass das Kind ein Studium aufnimmt, weil es ohne ein solches eher selten ist, dass eine zur professionellen Geschichtenerzählerin wird. Auch das Interesse an einem bestimmten Sachverhalt oder einem Phänomen wie diesem aus der »Popkultur«, die Fähigkeit, sich zu erschließen, was dort passiert, und die Codes zu lesen, ist keine neutrale und ergebnisoffene Nichtigkeit, die abgetrennt wäre von sozialen Kämpfen, von einer Aus­einandersetzung in einer Sozialordnung, die Ungleichheit produziert, aufrechterhält und der der Gedanke der Egalität abgerungen werden muss.

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