Tirath Singh Rawat findet nackte Knie verderblich

Moralisch verdorben

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Tirath Singh Rawat, seit 10. März Chief Minister des indischen Bundesstaats Uttarakhand, hat vergangene Woche in Indien einen Aufschrei mit der Mutmaßung ausgelöst, zerrissene Jeans seien ein Zeichen von moralischer Verdorbenheit. Der 56jährige Soziologe, der der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party von Premierminister Narendra Modi angehört, war Mitglied einer rechtsgerichteten Studentenorganisation, später unter anderem Bildungsminister von Uttarakhand.

Seine fragwürdige Einlassung tätigte Tirath Singh Rawat vorige Woche auf ­einem Workshop gegen Rauschmittelmissbrauch bei Kindern. Auf dem Flug dorthin sei er einer Frau begegnet, die sich ihm als Mitarbeiterin einer NGO vorgestellt habe. Sie sei mit zwei Kindern unterwegs gewesen und habe »Stiefel, an den Knien zerrissene Jeans und mehrere Armbänder« getragen. Wörtlich fragte ­Tirath Singh Rawat auf der Veranstaltung: »Sie arbeiten für eine NGO, tragen an den Knien zerrissene Jeans, Sie bewegen sich in der Gesellschaft und haben Kinder dabei – welche Werte wollen Sie vermitteln?«

Jeans, insbesondere zerrissene, haben für junge Inder den Reiz, eine westlich orientierte Einstellung zu vermitteln. Gerade das scheint Konservativen sauer aufzustoßen, die gerne betonen, dass das Tragen von Jeans nicht der indischen Kultur entspreche. Besonders entsetzen sie sich über die zerrissene Variante; vor allem, weil das öffentliche Präsentieren nackter Knie einen moralischen Affront darstelle, der gerade bei Frauen intolerabel sei.

Priyanka Gandhi Vadra, Enkelin von Indira Ghandi, kritisierte auf Twitter Rawat und postete ein Foto von Premierminister Modi und einem anderen Minister in Shorts und kommentierte ironisch: »Oh Gott, man sieht ihre Knie!« Weil ein wahrer Shitstorm über Tirath Singh Rawat hinwegfegte, entschuldigte dieser sich und versicherte, er habe gar kein Problem mit Jeans. Nur zerrissene Jeans seien eben einfach »nicht richtig«.