Die Insolvenz der Bank Greensill beschert Kommunen und Bundesländern Verluste

Pleite unter Aufsicht

Die Insolvenz der Bremer Bank Greensill trifft viele Kommunen, die dort Geld angelegt hatten. Der Fall zeigt erneut ein düsteres Bild von der deutschen Bankenaufsicht.

Noch vor drei Wochen dürfte die Green­sill-Bank nur wenigen ein Begriff gewesen sein. Dann aber schloss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) das insolvente Bremer Bankhaus und löste so – nach den bisherigen Erkenntnissen des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) – den zweitgrößten Entschädigungsfall in der Bundesrepublik überhaupt aus. Zwar werden die fälligen Zahlungen die knapp sieben Milliarden Euro, die hierzulande nach der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 anfielen, nicht erreichen, auf fast die Hälfte aber könnten sich die geschützten Titel summieren – und damit das deutsche System der Einlagensicherung hart fordern.

Als der Bundesverband deutscher Banken die Bafin Anfang 2020 auf Ungereimtheiten bei Greensill hinwies, dauerte es ein weiteres Jahr, bis die Behörde die Bank schloss.

Einlagen bis 100 000 Euro werden seit 2011 durch den zwei Jahre zuvor geschaffenen gesetzlichen Sicherungsfonds der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB), eine Tochtergesellschaft des BdB, gewährleistet. Finanziert wird er durch Beiträge aller in Deutschland ansässigen Privatbanken. Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 war der Fonds nach den Maßgaben der Europäischen Union durch das Einlagensicherungsgesetz eingeführt worden, um künftig bail-outs maroder Banken mit Steuergeldern zu verhindern.
Nach Auskunft der Bafin sollen im Zuge der Insolvenz der Greensill-Bank über eine Milliarde Euro anfallen, mit der vor allem Sparguthaben von Privatanlegern ersetzt werden müssen. Hinzu kommen noch mindestens zwei Milliarden Euro aus dem freiwilligen Sicherungsfonds der Privatbanken, der bis zu 74,964 Millionen Euro pro Privatanleger schützt; im Fall Greensill geht es meist um das Geld von Unternehmen und auch von einigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die aber ebenfalls von der Einlagensicherung geschützt werden – anders als die Einlagen von Kommunen wie etwa Wiesbaden oder die eines Bundeslandes wie Thüringen.
Auch wenn die EdB keinerlei Auskunft über die derzeit verfügbaren Mittel gibt, so dürften die Entschädigungen die Kassen doch arg schröpfen. Den Daten der Europäischen Bankenaufsicht zufolge betrugen die Rücklagen Ende 2019 knapp drei Milliarden ­

Euro – was etwa jener Summe entspricht, die die Insolvenz von Greensill kosten dürfte. Dass der BdB diese Gelder von der ebenfalls insolventen australischen Hauptgesellschaft, Greensill Capital, zurückerhalten wird, ist zumindest fraglich. Zwar hat der Bankenverband dem internationalen Insolvenzverwalter, der Unternehmensberatung Grant Thornton, angezeigt, dass die Entschädigungen theoretisch aus der Konkursmasse entnommenen werden müssten. Aber diese dürfte nicht sonderlich üppig sein, zudem ist die Reihe der Gläubiger lang: 34 Unternehmen haben bislang Forderungen angemeldet, deren Wert sich bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf 1,14 Milliarden Euro summiert hat.
Schon die Vorgeschichte der deutschen Greensill-Niederlassung erinnert kaum an die eines seriösen oder zumindest stabilen Finanzinstituts mit der Bewertung A-, als das die eigens beauftragte kleine Berliner RatingAgentur Scope das Unternehmen 2019 noch deklariert hatte. Die Bank ging aus der 1988 privatisierten Nordfinanz (1956 war das zuvor private Institut von der Bremer Landesbank und der Bremer Sparkasse übernommen worden) hervor und hat eine Geschichte von Pleiten und immer neuen dubiosen Investoren hinter sich, deren vorläufiger Endpunkt die 2014 erfolgte ­Übernahme durch die erst 2011 gegrün­dete australisch-britische Muttergesellschaft war. Die »Greensill Bank AG«, wie sie sich fortan nannte, suspendier­te im Anschluss das Wertpapier- und Depotgeschäft sowie den Kassenverkehr, Girocards verloren ihre Gültigkeit und sogar der einzige Geldausgabeautomat wurde stillgelegt. Statt auf das Kundengeschäft konzentrierte man sich fortan lediglich auf ein einziges Geschäftsfeld: die sogenannte Liefer­kettenfinanzierung.
Dieses Modell basiert auf einem einfachen Prinzip: Da es bei internationalen Lieferkontrakten häufig vorkommt, dass Zahlungen verspätet erfolgen oder aber gänzlich ausbleiben, verkaufen Lieferanten ihre Forderungen gegen eine Gebühr an Banken, die die Risiken übernehmen. Diese bündeln die Forderungen häufig in sogenannten Lieferkettenfonds und verkaufen sie weiter – zumeist an Banken, die wiederum ebenso verfahren. Sollten, wie im Fall Greensill, entweder zu viele Ausfälle erfolgen oder aber sich keine Drittverwerter finden, geraten die Banken in Schwierigkeiten. Auch wenn die konkreten Fälle nach wie vor nicht bekannt sind, geschah dies offenbar bei der Greensill-Bank.
Für das beschriebene Geschäftsmodell benötigt man immer auch liquide Mittel, also das Geld von Anlegern. Ob diese wissen, wie mit ihren Einlagen gewirtschaftet wird, spielt dabei keine Rolle. Und so verfügte die Bremer Bank, deren hinterlegte Eigenkapitalreserve 2015 lediglich 28,9 Millionen Euro betragen hatte, zuletzt über Ein­lagen von etwa 3,5 Milliarden Euro. Angelockt durch eine Verzinsung von 0,3 Prozent hatten neben den versicherten Einlegern auch Dutzende von Kommunen, deren Einlagen nicht versichert sind, ihr Geld bei Greensill gebunkert. Das Bundesland Thüringen, regiert von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei), hat offenbar etwa 50 Millionen Euro auf diesem Weg verloren, aber auch viele kleinere und größere Kommunen, deren Kämmerer sich auf die positive Bewertung der Bank verlassen hatten. Auf eine halbe Milliarde Euro schätzte zuletzt die Welt am Sonntag den Gesamtschaden für die öffentlichen Haushalte.

Mindestens eine Mitschuld daran trägt die Bafin. Schon 2015 berichtete Greensill im Geschäftsbericht triumphierend, der »Wegfall der bisherigen harten Begrenzungen« für Lieferkettenfinanzierungen stelle einen »Meilenstein für die Bankentwicklung und die Basis für die starke Auswei­­tung des Supply-Chain-Finance-Geschäftes« dar. So konnte die Bilanzsumme bis 2019 versechsfacht werden. Als der BdB die Bafin Anfang 2020 auf Ungereimtheiten bei der Bank hinwies, dauerte es ein weiteres Jahr, bis die Aufsichtsbehörde endlich einen Sonderbeauftragten nach Bremen schickte und schließlich die Bank schloss. Entscheidend dabei war, dass sich die Behörde noch bis zuletzt auf einen Bericht der privaten Stuttgarter Wirtschaftsprüfgesellschaft Ebner-Stolz berief, der den Jahresabschluss 2019 ohne Beanstandung abgesegnet hatte. Wie im Falle Wirecard (Jungle World 1/2021) haben sich die Finanzaufsicht und ihre Praxis der Delegation der Aufgaben an pri­vate Prüfer, um es vorsichtig auszudrücken, nicht bewährt. Veränderungen sind aber auch nach der Causa Greensill kaum zu erwarten.