Der Umgang mit dem Missbrauch

»Weiß der Himmel«

Wie die katholische Kirche den Missbrauch aufarbeitet.
Die preisgekrönte Reportage Von

»Ja, an den Papst! Nein, das ist nicht der Herr Papst, sondern der Papst. Natürlich, ich kann Ihnen auch gern die Adresse geben: Papststraße 1, 10082 Vatikan-Stadt, Vatikan-Staat. Bitte sehr, auf Wiederhören!« Erleichtert legt Vera Kruse den Hörer auf. Die Mitarbeiterin im Büro von Kardinal Woelki hat gut lachen: Seit die neuen Compliance-Regeln im Erzbistum Köln in Kraft sind, hat sich das Arbeitspensum im Beschwerdemanagement des Bistums deutlich verringert.

Der Umstand, dass Kardinal Woelki lange Zeit ein Gutachten zu Missbrauchsfällen in der Kirche zurückhielt, hatte die Gläubigen monatelang in Aufruhr versetzt. Nun sorgte ein zweites Gutachten für Erleichterung: Ein halbes Dutzend Geistlichen wurden »Pflichtverletzungen« zur Last gelegt, Woelki selbst hingegen ist Gott sei Dank entlastet. »Wir haben Konsequenzen gezogen, stellen uns unserer Verantwortung«, sagt Presseprälat Lothar Zunft. »Die belasteten Personen haben den Papst angerufen und ihn um ihre Entlassung gebeten. Wir machen das zur Chefsache. Wir denken, dass jetzt alles vom Papst persönlich geklärt werden muss!«

Seither hat sich die Arbeit des Bistums spürbar vereinfacht. »Einfach den Papst CC setzen« sei für die Büroassistenz mittlerweile zur Standard­antwort auf sämtliche Begehren der Gläubigen geworden, erklärt Kruse. »Unsere unglaubliche Verantwortung lässt es nicht zu, dass diese Fragen von anderer Stelle geklärt werden als vom Pontifex persönlich.« Sorgen über die Flut von Mail-Anfragen an den Heiligen Stuhl macht er sich keine: »Als Stellvertreter Gottes ist der Papst ex cathedra allwissend und allmächtig, kann beliebig viele Mails gleichzeitig beantworten, unendlich viele Tabs offen halten und auf einer Nadelspitze tanzen.

Franziskus ist auch noch jung und hat ein anderes Mediennutzungsverhalten als beispielsweise Ratzinger.« Wie lange das alles dauern wird? »Weiß der Himmel.«
Auch die explosionsartig angestiegenen Kirchenaustritte möchte Kruse nicht kommentieren. »Nur so viel: Wer dem Papst jetzt nicht die nötige Bearbeitungszeit lässt, bis er alles abgearbeitet hat, der muss sich fragen lassen, ob er wirklich an einer systematischen Aufklärung interessiert ist. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich bin gerade in einem Bewerbungsgespräch bei den Protestanten.«

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.