»Der größte lebende Satiriker deutscher Sprache«
Als deutscher Lehrer in der Sowjetunion
Der Mann, der mich eingeladen hat, als Professor für deutsche Sprache und Methodik des Sprachunterrichts an eine sowjetrussische Universität zu gehn, ist heute leider nicht aufzufinden. Er heißt oder hieß – auch das weiß ich nicht – Fjodor Skribanowicz, war Doctor der Philosophie und Direktor der Staatsarchive in Leningrad: er war es noch 1930, im zweiten Jahre der ersten Pjatiletka (Fünfjahrplan) und im Todesjahr seines deutschen Philosophielehrers Johannes Rehmke; aber dann gerät er außer Licht. Im Jahre 1934 schrieb Dmitri Michaltschew, auch ehemals Greifswalder Philosophiestudent, heute Königlich Bulgarischer Gesandter in Moskau, nach Leningrad, um seines Freundes Skribanowitz Adresse ausfindig zu machen, aber das war nicht möglich. Skribanowitz ist verschollen. Er war zu hoch hinaufgeklettert.
Ich erzähle das deswegen, damit man nicht glaubt, ich sei – im Herbst 1933 – nach Rußland deswegen eingeladen worden, weil ich wegen Adolf Hitlers »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« aus Deutschland emigriert, oder gar, weil ich Mitglied der Kommunistischen Partei war. Nein: ich war zwar emigriert, aber nirgends Mitglied und wurde als »Spez« engagiert; nachdem ich 8 Jahre vorher, 1925, die erste Einladung, 1927 die zweite Einladung an die Universität ausgeschlagen hatte.
1925 hatte das seinen Grund. Meine junge Frau erwartete ihr erstes Kind, und es ist klar, daß nicht nur sie, sondern auch allerhand künftige Großeltern, Onkel und Tanten, allesamt in Deutschland ansässig, es erwarteten. Aber im Herbst 1927 war unsere Tochter 1 Jahre alt; da kündigte Skribanowitz aus Leningrad seinen persönlichen Besuch an. Meine Frau kaufte 3 Pfd. Kassler Rippenspeer, Rosenkohl und saure Sahne, denn wir wollten uns nicht bereden lassen; ich besorgte einen Liter Chianti und Schwarzwälder Kirschwasser als Wodka-Ersatz.
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