Der Bundesgerichtshof bestätigt Illegalität der Waffenlieferungen von Heckler & Koch nach Mexiko

Illegale Waffenexporte

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs bestätigte die Illegalität einiger Waffenexporte des Rüstungskonzerns Heckler&Koch nach Mexiko. Rüstungskritiker fordern unter anderem ein neues Gesetz zur Kontrolle von Rüstungsexporten.

Sechs Tote und 43 Verschleppte, die mutmaßlich ermordet wurden. Das ist die traurige Bilanz eines Massakers an und einer Massenentführung von Studierenden, die Polizisten und Mitglieder eines Drogenkartells im September 2014 in der mexikanischen Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero begangen hatten. Die Studierenden waren in Bussen auf dem Weg zu einer Demonstration, als sie von der Polizei angehalten wurden. Ohne Vorwarnung eröffneten die Polizisten das Feuer, töteten sechs Businsassen, nahmen die Überlebenden fest und übergaben sie einem Drogenkartell. Bei Ermittlungen mexikanischer Strafverfolgungsbehörden wurden nach diesem Angriff unter anderem über 30 Sturmgewehre des Typs G36 aus der Produktion der deutschen Rüstungsfirma Heckler&Koch sichergestellt. Die bei dem Massaker eingesetzten Gewehre hätten nicht in den Bundesstaat Guerrero geliefert werden dürfen. Ende März sprach der Bundesgerichtshof in dieser Sache ein Urteil.

»Mit dem Urteil ist die bisherige deutsche Rüstungsexportkontrolle am Ende«.
Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Organisation Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen

Darin bestätigten die Karlsruher Richter weitgehend die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart in der vorigen Instanz. Dieses kam im Februar 2019 zu dem Schluss, dass die Genehmigung für den Export von Waffen nach Mexiko erschlichen worden war, und verurteilte zwei der sechs Angeklagten – einen ehemaligen Vertriebsleiter und eine ehemalige Sachbearbeiterin von Heckler&Koch – wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz jeweils zu Haftstrafen auf Bewährung. Darüber hinaus ordnete das Landgericht die Einziehung der Verkaufserlöse des ­Waffenherstellers in Höhe von 3,7 Millionen Euro an. Gegen die Entscheidung des Landgerichts waren die Staatsanwaltschaft, die verurteilten Angeklagten und Heckler&Koch in Revision gegangen.

Die Verurteilten waren zwischen 2006 und 2009 an 16 Lieferungen von Gewehren, insgesamt mehr als 4 00, und Zubehör in vier mexikanische Bundesstaaten beteiligt, für die es keine Exportgenehmigungen gegeben hatte. Gesetzlich waren diese Ausfuhren durch sogenannte Endverbleibserklärungen gedeckt, die beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle eingereicht werden müssen. Mit diesen versichert der Empfänger schriftlich, wo die eingeführten Waffen eingesetzt werden, und verspricht, diese nicht ohne Erlaubnis der Bundesregierung an andere Staaten weiterzuverkaufen. Jedoch machen manche Empfängerländer falsche Angaben über den Einsatz der importierten Waffen. Einem Bericht der Taz zufolge belegt ein Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2015, dass genau das im Falle der nach Mexiko exportierten Gewehre von Heckler&Koch geschah. Einem Bericht des Portals Legal Tribune Online zufolge habe Heckler&Koch die mexikanischen Behörden dazu gebracht, falsche Endverbleibserklärungen auszustellen. Denn gegen den Export der Waffen nach Guerrero und in drei weitere Bundesstaaten Mexikos hatte das Auswärtige Amt zuvor Bedenken angemeldet. Grund dafür waren die häufigen Berichte von Menschenrechtsverletzungen wie Folter und Erpressung durch Polizisten in diesen Bundesstaaten.

Der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin hatte bereits im Jahr 2010 Anzeige gegen Heckler&Koch wegen Waffenlieferungen in mit Exportverbot belegte Regionen Mexikos gestellt. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte die Ermittlungen übernommen und schließlich 2015 Anklage gegen die Beschuldigten erhoben.

Grässlin, der einer der Bundessprecherinnen und -sprecher der Organisation Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen ist, wertete den Ausgang des Verfahrens als Erfolg: »Mit dem heutigen Urteil ist die bisherige deutsche Rüstungsexportkontrolle am Ende«, sagte er einer Pressemitteilung der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« zufolge. Der Gesetzgeber müsse umgehend ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen, das die bisherigen Exportpraxis beendet und die Interessen der Opfer von Schusswaffengewalt berücksichtigt, forderte Grässlin.

Der Anwalt Holger Rothbauer ­stellte eine weitere Strafanzeige gegen Heckler&Koch. Im Gespräch mit der Jungle World sagte er, dass das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz, die die Rüstungsexportkontrolle in Deutschland regeln, »sys­tematisch nicht zueinander passen« würden. Das Landgericht hatte die Angeklagten nur nach dem Außenwirtschaftsgesetz, nicht jedoch nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt, was der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil bestätigte. Diesem Urteil zufolge sieht das Kriegswaffenkontrollgesetz die Strafbarkeit der Ausfuhr aufgrund einer mit falschen Angaben
erwirkten Genehmigung nicht vor. Für Roth­bauer kommt dieses Urteilder Aufforderung an den Gesetzgeber gleich, hier Klarheit zu schaffen. Die Endverbleibserklärungen würden als Feigenblatt für heikle Geschäfte genutzt, so Rothbauer.

Das Netzwerk Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko (DMRKM) ist an der Kampagne »Aktion Aufschrei« beteiligt. Carola Hausotter, Koordinatorin der DMRKM, kritisierte im Gespräch mit der Jungle World, dass die Angehörigen der Betroffenen in dem Verfahren zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt hätten, da sie nicht als Nebenkläger zugelassen worden seien. Sie wies darauf hin, dass in Mexiko bisher niemand zur Rechenschaft gezogen worden sei. »Mit einer Verurteilung der Verantwortlichen können die Toten zwar nicht wieder lebendig gemacht werden, aber ihre Familien fordern trotzdem Gerechtigkeit für das unverantwortliche Vorgehen«, sagte Hausotter.

Das Landgericht hatte zwei weitere Angeklagte für die Ausfuhren als Verantwortliche verdächtigt: Den ehemaligen und mittlerweile verstorbenen Vertriebsleiter für Mexiko-Geschäfte und den in Mexiko lebenden Verkaufsrepräsentanten von Heckler&Koch, der seinem Verteidiger zufolge jedoch nicht rei­sefähig gewesen sei und daher nicht vor Gericht erschienen war. Wie das Landgericht Stuttgart der Legal Tribune Online auf Nachfrage bestätigte, konnte ihnen und anderen Freigesprochenen kei­ne Kenntnis von falschen Endverbleibs­erklärungen nachgewiesen werden.