Die Geschichte der von der Band Der Plan erdachten Musikroboter

Die Poproboter

1989 fasste die Band Der Plan einen Entschluss: sich selbst überflüssig zu machen. Inspiriert von den Residents kreierten sie eine aus Robotern bestehende Band – das dazugehörige Album erschien erst kürzlich, 32 Jahre später.

Pop ist seit langem die ständige, nur ein klein wenig variierte Wiederkehr des Immergleichen. Die Popindustrie verkauft ihre Produkte dennoch immer als »Neuheiten«. Nirgendwo wird diese einfache, aber weitreichende Erkenntnis über das Immergleiche deutlicher als in den diversen Castingformaten wie »American Idol« oder dessen hiesigem Pendant »Deutschland sucht den Superstar«: Alljährlich werden mehrere neue »Talente« gekürt, die ihre Befähigung durch den Vortrag von Popklassikern unter Beweis gestellt haben. Zur Belohnung dürfen sie meist zumindest ein Album mit Songs aus der Konserve aufnehmen, bevor sie wahlweise wieder in ihrem Alltag verschwinden oder in andere Formaten des Reality-TV weitergereicht werden. Und weil sich immer genug Menschenmaterial findet, das allergrößte Hoffnungen auf die eigene Verwertbarkeit setzt, können immer neue Superstars aus der Retorte geschaffen werden. Der einzelne Musiker, der im Beispiel natürlich höchstens Interpret ist, wird so nicht nur austauschbar, sondern in der Konsequenz auch überflüssig.

Bereits auf dem sehr experimentellen Debütalbum »Geri Reig« von 1980 waren die musikalischen Einflüsse von Kraftwerk und The Residents auf Der Plan unverkennbar. Selbst nannten sie ihre Musik »elektronische Schlager«.

In der Musikindustrie ist diese Form der Verwertung keineswegs neu. Als Kommentar dazu und zur fortschreitenden Technologisierung wollten sich die Musiker der Düsseldorfer Band Der Plan 1989 selbst überflüssig machen. Sie produzierten Lieder mit vermeintlichen Roboterstimmen, die bei Konzerten von Robotern, die sie »Fanuks« nannten, aufgeführt werden sollten. Da die Realisierung dieses Live-Konzepts für sie aber damals weder finanziell noch technisch möglich war, verschwanden die Aufnahmen zunächst im Archiv ihres Labels Ata Tak. Dort wurden sie erst im vergangenen Jahr bei einer großen Aufräumaktion wiedergefunden und nun unter dem Albumtitel »Save Your Software« veröffentlicht.

Der Plan
»Kennen Sie Köln?« fragten Der Plan mal in einem Lied. Hier ist die Düsseldorfer Band ganz in der in der Nähe Kölns, in BrühlFreizeitpark »Phantasialand«,  zu sehen, ca. 1983

 

Zusätzlich zu den sechs alten Songs produzierten die drei Bandmitglieder Kurt Dahlke, Frank Fenstermacher und Moritz Reichelt ­jeweils ein neues Stück. Komplettiert wird die Platte von einer Art Radiofeature, das die »Geschichte der Fanuks« mit fiktiven Elementen erzählt. Als Motivation für das Projekt wird dort angeführt, dass »Mitte der achtziger Jahre deutlich wurde, dass das Leben endlich ist und die technische Verwirklichung der Unsterblichkeit der Gruppenmitglieder von Der Plan unter Umständen nicht rechtzeitig umgesetzt werden könnte«.

Im Stil schönster sozialistischer Science-Fiction geht es weiter: »Auf der entscheidenden Sitzung des Zentralkomitees Des Plans im Jahre 1985 ergab sich eine knappe Mehrheit von zwei zu eins Stimmen für die Produktion menschenähnlicher Roboter, die eines Tages die biologischen Körper der sterblichen Musiker ersetzen sollten.« Der Name der Musikroboter leitet sich von der japanischen Maschinenbaufirma »Fanuc« (eine Abkürzung für »Fuji Automatic Numerical Control«) ab, die auf Automatisierungs- und Robotertechnik spezialisiert war und früher in Düsseldorf eine Dependance hatte.

Der Plan war nicht die erste Band, die mit der Idee von Robotermusik experimentierte. 1978 ver­öffentlichten Kraftwerk ihr Album »Die Mensch-Maschine« und die New-Wave-Band Devo (kurz für: De-Evolution), die in ihren Texten die Abrichtung der Menschen zu Maschinen im Kapitalismus anprangerte, trat ebenfalls bereits in den siebziger Jahren als eine Mischung aus Robotern und Raumfahrern kostümiert auf. Selbst der Deutschrocker Udo Lindenberg verfremdete seine Stimme im Song »Gene Galaxo« 1976 zur Roboterstimme, um davor zu warnen, dass irgendwann im Auftrag der Herrschenden Musik­roboter programmiert würden, die dann nur noch angepasste Musik und Texte spielen würden.

Der inhaltliche Ansatz von Der Plan weicht davon ab: Sie beziehen sich auf die Theorie der Obskurität, wie sie die Band The Residents und ihr Inspirator, ein apokrypher Philosoph namens N. Senada, vertraten. Senada lebte angeblich in den sech­ziger und siebziger Jahren in Bayern, analysierte Vogelgesang und war wohl mit ziemlicher Sicherheit eine Erfindung der Residents. Der Theorie zufolge könne ein Künstler nur bedeutende Kunst schaffen, wenn er sich selbst komplett verbirgt. The Residents blieben daher seit ihrer Gründung in den zweiten Hälfte der sechziger Jahre anonym und treten bis heute nur maskiert auf.

Der Plan wollte diesem Vorbild mit den »Fanuks« folgen. Bereits auf ihrem sehr experimentellen Debütalbum »Geri Reig« von 1980 waren die musikalischen Einflüsse von Kraftwerk und The Residents unverkennbar. Sie selbst nannten ihre Musik »elektronische Schlager«. Der Plan sowie ihr Label Ata Tak gelten als Wegbereiter der Neuen Deutschen Welle, wobei das aus heutiger Sicht erklärungsbedürftig ist: Sie und die weiteren Ata-Tak-Künstler (unter anderen Andreas Dorau und Deutsch Amerikanische Freundschaft) machten keine tumben NDW-Schlager, sondern New Wave.

»Eine akustische Durchsicht des Materials ergab, dass die Musik, für die Zukunft geschaffen, in der Gegenwart angekommen war, und die Idee einer möglichen Veröffentlichung geriet in den Bereich des Denkbaren«, heißt es im Feature zur »Geschichte der Fanuks«, und tatsächlich merkt man den alten Liedern nicht an, dass sie bereits 1989 produziert und seitdem auf Tapes aufbewahrt wurden. Sie klingen nach dem Elektropunk der nuller Jahre, waren somit ihrer Zeit voraus, hängen jetzt aber irgendwie hinterher, denn neu oder gar revolutionär ist die Musik nicht (mehr). Doch das Gesamtpaket mit den drei neuen Songs und insbesondere dem »Fanuk«-Feature auf der B-Seite überzeugt.

In den Texten wird durchweg die Position von Robotern eingenommen, die allerdings ein Bewusstsein haben. Wie Marvin the Paranoid Android in den Büchern von Douglas Adams sind auch die »Fanuks« nicht sonderlich glücklich damit: »I hate the computer  I hate work  I want to be human. Freedom for robots  emocracy for robots«, heißt es im Song »I Want to Sing Like Ella«, der zu den drei neuen Stücken gehört und von Frank Fenstermacher produziert wurde. Und auch der Roboter in »I Can Love«, dem ebenfalls neuen, von Kurt Dahlke alias Pyrolator produzierten Stück, klingt eher depressiv, wenn er »I love accidents« singt.

Der Plan begründet dies damit, dass sich die »Fanuks« mit fortschreitender Entwicklung an die Menschen anpassen würden. Gleichzeitig können sich die Roboter in den ­Liedern selbst reparieren und reproduzieren, also neue Roboter zusammenschrauben, und könnten dadurch kurz vor der Weltherrschaft stehen – zumindest solange es ­keinen Übertragungsfehler bei einem Update gibt. Gerade die Darstellung der Roboter und ihrer Probleme sowie die Ernsthaftigkeit, mit der sie präsentiert werden, macht das Album humorvoll und nachdenklich zugleich.

Offen lässt Der Plan, ob den »Fanuks« die Asimov’schen Robotergesetze einprogrammiert werden sollten, um die Kontrolle über sie zu behalten. Daher muss bezweifelt werden, dass die sich selbst bewussten, kritischen »Fanuks« überhaupt ­daran interessiert wären, anstelle der Mitglieder von Der Plan »Musik für alle Ewigkeit« zu produzieren und auf »eine nie endende Welttournee« zu gehen. Lehnten die »Fanuks« dies ab, würde nur noch Zwang, möglicherweise durch ein Update, helfen, und man wäre endgültig in einem typischen Dilemma der Roboterethik angekommen.

Der Plan: Save Your Software (Bureau B)