Beppe Grillo spricht in einem Video seinen Sohn vom Vorwurf der Vergewaltigung frei

Grillo demontiert sich selbst

Der italienische Populist Beppe Grillo hat in einem Internetvideo versucht, seinen Sohn gegen Vergewaltigungsvorwürfe in Schutz zu nehmen. In den italienischen Medien sorgt das zu Recht für Entrüstung.

Beppe Grillo ist als Komiker und Gründer des Movimento 5 Stelle (M5S) für seine Grimassen bekannt, seine Auftritte auf der künstlerischen wie auf der politischen Bühne sind laut und aggressiv. Vergangene Woche präsentierte er sich in einem knapp 100 Sekunden langen Video auf seinem Blog in bekannter Manier, diesmal allerdings aus persönlichen Gründen: Er verteidigt seinen Sohn Ciro, der unter Verdacht steht, an einer Gruppenvergewaltigung beteiligt gewesen zu sein. Die Aufnahme zeigt Grillo, der wild gestikulierend an einem Tisch sitzt, auf den er zur Betonung der Unschuld seines Sohns mehrmals wütend einschlägt.

Im Juli 2019 soll der damals 19jährige Ciro gemeinsam mit drei Freunden in einem Nobelclub namens »Billionaire« auf Sardinien zwei Mailänder Studentinnen kennengelernt und in die Villa seines Vaters eingeladen haben. Eine der beiden Frauen hat die vier jungen Männer später angezeigt. Sie sei gezwungen worden, eine halbe Flasche Wodka zu trinken, und danach erst von einem, später auch von den anderen drei vergewaltigt worden. Die vier Beschuldigten behaupten dagegen, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt. Ende des Monats will die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob es zur Anklage kommt oder das Verfahren eingestellt wird.

In seinem Video beklagt Grillo zunächst, sein Sohn werde in der Presse wie ein »Serienvergewaltiger« behandelt, obwohl doch die Tatsache, dass er nie verhaftet oder unter Hausarrest ­gestellt worden sei, belege, dass überhaupt nichts vorgefallen sei. Danach geht Grillo zum Angriff über: Eine Frau, die am frühen Morgen vergewaltigt werde, gehe am Nachmittag nicht zum Surfen und poste keine Fotos von unbeschwerten Urlaubstagen. Dass die Anzeige erst acht Tage später erfolgte, sei doch »komisch«. Schließlich gebe es auch noch ein Handyvideo, das beweise, dass sich die Gruppe 19jähriger Jungs einfach nur amüsieren wollte. Es seien vielleicht »vier Idioten«, aber »keine vier Vergewaltiger«.

In den italienischen Talkshows und Zeitungen wurde Grillos »Schockvideo« tagelang diskutiert. Auch wenn der »Schmerz des Papas« häufig als mildernder Umstand zugestanden wurde, war die Kritik an der Art und Weise der Parteinahme zugunsten des Sohns einhellig. Italiens Rechte nutzten das Video, um Grillo für seinen opportunistischen Umgang mit der Unschuldsvermutung zu kritisieren; Matteo Salvini beispielsweise, der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Lega, spottete: Diese Vermutung gelte bei Grillo offensichtlich nur für Familienangehörige, während der M5S bei Politikern schon Rücktritte fordere, bevor der Prozess überhaupt begonnen habe – wie in Salvinis Fall wegen eines blockierten Seenotrettungsschiffes in dessen Zeit als Innenminister.

Der Fünf-Sterne-Bewegung selbst kommt der fragwürdige Auftritt ihres Gründers ungelegen. Das Vertrauen ­ihrer Stammwähler ist durch die vielen Koalitionswechsel ohnehin erschüttert. Hinzu kommt der Streit um die künftige Organisationsstruktur, der am Wochenende zum Bruch mit dem Me­dienunternehmer Davide Casaleggio geführt hat. Dieser leitet als Nachfolger seines 2016 verstorbenen Vaters, des M5S-Mitgründers Gianroberto Casaleggio, eine Internetfirma, die für die Fünf-Sterne-Bewegung die Internetplattform »Rousseau« entworfen hat. Hier sollten Formen der direkten Demokratie erprobt werden. Beispielsweise fanden innerparteiliche Wahlen auf »Rousseau« statt. Doch die Abstimmungsmodalitäten blieben wegen ­ihrer Intransparenz stets umstritten, Daten wurden nicht zugänglich gemacht. Zuletzt weigerten sich viele M5S-Abgeordnete, die Plattform weiter durch ihre Mitgliedsbeiträge mitzufinanzieren.

Der ehemalige Ministerpräsident Giuseppe Conte, der derzeit mit dem Führungsgremium des M5S an einer grundlegenden Reform der Partei arbeitet, sah sich nach Grillos Auftritt ­gezwungen klarzustellen, dass die Bewegung die Unabhängigkeit der Justiz respektiere. Vor allem aber verwies er darauf, dass während seiner Ministerpräsidentschaft just im Sommer 2019 zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen der sogenannte Codice rosso eingeführt worden sei. Das Gesetz enthält Regeln zur Beschleunigung entsprechender Ermittlungsverfahren, außerdem erhöhte es das Strafmaß für ­sexualisierte Gewalt und verlängerte die Anzeigefrist.

Der Fall Ciro Grillos zeigt, dass sich Frauen nicht einfach darauf verlassen können, Rechte zu haben. Das Pro­blem liegt wieder einmal und immer noch darin, wie in der Öffentlichkeit über Frauen gesprochen wird, und da­rin, wie mit Macht und Einfluss ausgestattete Personen sich verhalten. Beppe Grillo ist bereits früher mit obszönen Äußerungen über und Gewaltdrohungen gegen politische Gegnerinnen aufgefallen. In dem jüngsten Video wiederholt er chauvinistische Stereotype hinsichtlich geschlechterbasierter Gewalt: Er zieht die Glaubwürdigkeit des Opfers in Zweifel und bagatellisiert einen mutmaßlichen Akt der sexuellen Gewalt zum Dummejungenstreich. Feministische Gruppierungen protestieren gegen Grillos »verbale Gewalt« und die sekundäre Viktimisierung der jungen Frau, also dagegen, sie durch öffentliche Respektlosigkeit nochmals zum Opfer zu machen. Mittlerweile zirkuliert zudem der Hashtag #ilgiornodopo (am Tag danach), unter dem Betroffene einmal mehr erklären, wa­rum Vergewaltigungen häufig nicht gleich am nächsten Tag zur Anzeige gebracht werden.