IMPRINT: Die Lebensgeschichte der les­bi­schen Freud-Patientin Margarethe Trautenegg

Herrische Liebe

In seinem Text für den Sammelband »Vom Lärmen des Begehrens. Psychoanalyse und lesbische Sexualität« schreibt dessen Mitheraus­geber Aaron Lahl über Sigmund Freuds homosexuelle Patientin Margarethe Trautenegg (geborene Csonka), deren Leben fast das gesamte 20. Jahrhundert umfasste.

Vor etwa 100 Jahren schrieb Sigmund Freud in seinem Text »Über die Psychogenese eines Falles von weiblicher Homosexualität« über eine junge homosexuelle Frau, die bei ihm in Behandlung war, dass sie in ihrem Liebesverhalten gegenüber einer von ihr verehrten Dame »den männlichen Typus angenommen« habe: »Ihre Demut und zärtliche Anspruchslosigkeit, ›che poco spera e nulla chiede‹ (deutsch: die wenig erhofft und nichts verlangt), die Seligkeit, wenn ihr gestattet wurde, die Dame ein Stück weit zu begleiten und ihr beim Abschied die Hand zu küssen, die Freude, wenn sie sie als schön rühmen hörte, während die Anerkennung ihrer eigenen Schönheit von fremder Seite ihr gar nichts bedeu­tete, ihre Pilgerbesuche nach Örtlichkeiten, wo die Geliebte sich vorher einmal aufgehalten hatte, das Verstummen aller weiterreichenden sinnlichen Wünsche: alle diese kleinen Züge entsprachen der ersten schwärmerischen Leidenschaft eines Jünglings für eine gefeierte Künstlerin, die er hoch über sich stehend glaubt und zu der er seinen Blick nur schüchtern zu erheben wagt. Die Übereinstimmung mit einem von mir beschriebenen ›Typus der männlichen Objektwahl‹, dessen Besonderheit ich auf die Bindung an die Mutter zurückgeführt habe, ging bis in die Einzelheiten.«

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