Mensch-Makak-Hybriden – Gefahr oder Chance für die Menschheit?

Planet der Mischwesen

Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, Embryonen zu züchten, die sowohl menschliche als auch Makakenzellen enthalten. Dass die Welt bald von ausgewachsenen Mischwesen aus Mensch und Affe bevölkert sein wird, ist zwar nahezu ausgeschlossen – aber wenn doch, wäre das ein Fortschritt oder eine Gefahr für die Menschheit? Zwei Meinungen.

Makaken in die Produktion

Die Züchtung eines Mischwesens aus Mensch und Makak birgt erfreuliche Aussichten für die menschliche Gattung.

Über 200 Jahre ist es her, dass es einem Studenten der Universität Ingolstadt erstmals glückte, ein menschenähnliches Wesen künstlich zu erschaffen. Wie genau Victor Frankenstein das machte – darüber hüllte sich seine Erfinderin Mary Shelley leider in Schweigen. Dass Leichenteile und Elektrizität samt Gewitterblitzen eine Rolle spielten, wie der britische Regisseur James Whale in seinem Blockbuster »Frankenstein« von 1931 behauptet, darf indes bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass der junge Wissenschaftler, seiner Zeit weit voraus, einen Weg gefunden hatte, mit Genen zu basteln. Gene, das weiß man, sind Legosteine für Biologen. Es gibt wahnsinnig viele von ihnen, sie sind überall verfügbar und können theoretisch beliebig kombiniert werden. Daraus neuartige Lebensformen zu erschaffen, gilt jedoch weiterhin als kniffelig.

Umso knalliger waren die Schlagzeilen, als es Forschern nun gelang, einen »ersten Affen-Menschen« (Bild) zu produzieren. Obwohl es sich bei ihrem Genpuzzle aus Mensch und Makak nur um ein Zellhäuflein handelte, das weit davon entfernt war, als Fötus bezeichnet werden zu können, schwang sofort ein gewisser Gruselfaktor mit: Welche Tür wird da geöffnet? Könnte uns dieser Makakenmensch so gefährlich werden wie einst Frankensteins Kreatur? Wird er uns am Ende gar den Krieg erklären? Muss die Welt schon wieder untergehen wie damals – Vete­ranen der Klonkriege erinnern sich – beim Klonschaf Dolly? Und sind solche Experimente ethisch vertretbar, zumal mit solch niedlichen Äffchen?

Nun, bekanntlich sind sich die meisten Ethiker einig darin, Tiere und Menschen nicht als gleichwertig zu betrachten, und das hat uns bislang eigentlich nur Vorteile gebracht. Selbst Veganer sind ja hin und wieder auf Medikamente angewiesen, die es gar nicht gäbe, wären dafür nicht irgendwelche Tierchen den Laborheldentod gestorben. Im aktuellen Fall hingegen, in dem es um die Produktion dringend benötigter menschlicher Ersatz­organe geht, wurden Mensch und Makak einfach nur ein paar Stammzellen ent­nommen.

Geht aber nicht schon der Ansatz zu weit? Patienten auf der Dialysestation sehen das sicher weniger kritisch als schwäbische Impfgegner beim Mutter-Erde-Thing. Und Affenbegeisterte dürfen beruhigt sein, denn perspektivisch soll nicht der Makak, sondern das Schwein unsere Organe austragen. Da Schweine gern gegessen und dazu noch ziemlich mies behandelt werden, um den Preis niedrig zu halten, vermuten die Forscher hier wohl eine geringere Hemmschwelle an den Ethik­stammtischen der interessierten Öffentlichkeit. Dabei gäbe es gute Gründe, den Makakenweg weiter zu beschreiten, auch wenn das Argument, dass die Makakenorgane für erwachsene Menschen zu klein sein dürften, nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

Seien wir ehrlich, das Schwein hat als Nahrungslieferant wahrlich genug gelitten. Und wer will schon wegen ­eines fehlerhaften Lieferscheins Gefahr laufen, am sonntäglichen Lungenhaschee zum Kannibalen zu werden? Der ­Makak hingegen hat noch eine Bringschuld uns gegenüber. Nicht nur wegen all der in indischen Tempeln oder thailändischen Ressorts heimtückisch ­entwendeten Sonnenbrillen (die Ray-Ban war echt teuer!), sondern auch ­wegen des HIV-2-Erregers, den wir ihm zu verdanken haben. Also ab in die ­Organzucht mit den Makaken!

Aber werden wir nicht Mitleid mit diesen Geschöpfen haben, wenn man ihnen schließlich die Leber herausschneidet, um damit unseren eigenen langsam absterbenden Alkoholschwamm zu ersetzen? Dazu muss es nicht kommen. Müsste jeder Mensch seinen putzigen Ersatzteil-Makak selber pflegen und aufziehen, könnte das auch zu einer gesünderen Lebensweise und regelmäßigen Vorsorge­untersuchungen motivieren. Am Ende bräuchten wir die Organe dann gar nicht, könnten mit den Tieren gutnachbarschaftlich zusammenleben, ihnen unsere Sprache beibringen und all das.

Natürlich brächte uns das auch der erwähnten Gefahr eines Krieges zwischen Mensch und Makakenchimäre näher. Nachbarschaftsstreitigkeiten können sich ja ganz schön hochschaukeln. Doch bei all den viel näherlie­genden dystopischen Szenarien aus Film und Weltliteratur, die bislang doch fern der Realität geblieben sind, wäre es schon überraschend, sollte ­ausgerechnet dasjenige aus »Planet der Affen« eintreten. Käme es dennoch so, wäre dies der Moment, an dem die Menschheit Größe zeigen und ihren Sinn für Humor über die Erhaltung der Gattung stellen sollte.

Markus Liske

 

Das Schlechteste beider Spezies

Wäre vor der Pandemie bekannt geworden, dass es Wissenschaftlern gelungen ist, ein Mischwesen aus Mensch und Makak zu züchten, hätte es große Diskussionen gegeben.

Große Augen, die traurig in die Ferne schauen oder den Betrachter vorwurfsvoll fixieren. Ein winziges Affenbaby, liebevoll in eine Decke gepackt. Ein resigniert dreinguckender Affe, der in ­einem Käfig sitzt.

So sehen die meisten Fotos aus, die zur Illustration eines Artikels benutzt wurden, in dem es um die Erschaffung eines Makak-Mensch-Wesens durch ­internationale Wissenschaftler ging. Gerüchte über entsprechende Grundlagenexperimente, die eines Tages vielleicht dazu führen könnten, kranke Menschen zu heilen, hatte es schon seit zwei Jahren gegeben. Mitte April ver­öffentlichten die beteiligten Forscher erste Ergebnisse, über die es vor der Pandemie lang anhaltende Diskussionen gegeben hätte. Was natürlich den Vorteil gehabt hätte, dass in den deutschen Talkshows in einer Zeit ohne Pandemie eben nicht dieser »Tatort«-Darsteller und Gleichgesinnte, sondern Biologen, Ethiker, Mediziner und an­dere Experten gesessen und hochinteressante Gespräche geführt hätten, aus denen für die Zuschauer sehr viel zu lernen gewesen wäre.

Nein, so wäre es natürlich nicht gewesen, irgendwer auf Selbstdarstellerei aller Art Spezialisiertes wäre ganz ­sicher auf die Idee gekommen, einen Offenen Brief zum Thema Makak-Mensch-Mischwesen zu verfassen, in dem er seine Sicht der Dinge, natürlich unter völliger Negierung aller Fakten, geschildert hätte. Am Ende des Schreibens hätten natürlich auch noch einige beleidigte Sätze darüber gestanden, dass in der heutigen Dings-Kultur seine Stimme und die Stimmen seiner Kumpels und Kum­pelinnen von der Rechten oder der Linken oder der Mitte systematisch unterdrückt werden.

Selbstverständlich wäre er oder sie daraufhin umgehend von hochrangigen Politikern zum Gespräch und in den folgenden zwei Wochen auch in jede Talkshow eingeladen worden. Dort hätten sie dann erzählt, wie sie das Thema ganz tief drinnen in sich empfinden und ein bisschen Werbung für ihr neuestes Werk gemacht sowie gemeckert, dass ihre Sichtweise komplett ­ignoriert werde. Weil nämlich niemand an die Makaken denkt, oder an die Menschen, und vor allem nicht an sie, die Künstler und Künstlerinnen.

Insofern haben die Forscher, falls ihnen an Diskussionsvermeidung gelegen war, Sinn für exzellentes Timing bewiesen. Die große Debatte blieb aus, woran selbst die suggestive Bebilderung der meisten Artikel über das sogenannte Mischwesen nichts änderten. Vielleicht, weil es einfach nichts zu ­diskutieren gab, denn ein rund 20 Tage alter Zellhaufen ist einfach kein nied­liches hilfloses Affenbaby, egal wie man es dreht und wendet. Aberaberaber was, wenn die Forschung doch weitergeht und eines Tages wirklich Chimären aus Mensch und Makak entstehen lässt? Wäre nicht alles, was die Wissenschaft weiterbringt und dadurch Menschenleben rettet oder verbessert, ein Erfolg, dem alles andere unterzuordnen ist?

Eigentlich ja, natürlich. Eine interessante Antwort hatte es andererseits im Jahr 2012 auf eine – zugegeben ganz andere Frage –gegeben, aber interessant ist interessant. Damals wurde diskutiert, ob in Sibirien entdeckte und konservierte Mammutüberreste nicht vielleicht dazu genutzt werden sollten, mit Hilfe der Gentechnik ein leben­diges Mammut zu schaffen. Wie üblich ging es damals hin und her, aber die schönste Antwort gab ein Wissenschaftler, dessen Name mir leider nicht mehr präsent ist. Er sagte ja, könne man machen, aber man solle auch das Resultat bedenken. Das sei dann nämlich ein einsames Solo-Mammut, das eigentlich nirgendwo richtig gut leben könne, weil seine Zeit schon so lange abgelaufen sei.

Nun leben aber sowohl Makaken als auch Menschen immer noch. Wäre es deswegen nicht völlig okay, ein Misch­wesen zu erschaffen, theoretisch, in ferner oder fernster Zukunft? Könnte ja vielleicht auch richtig niedlich aus­sehen, mit großen Augen, und dadurch ein schöner Anblick sein, während es irgendwelche Scheißjobs erledigt, die auszuführen richtige Menschen völlig unter ihre Würde finden.

Aber was, wenn so ein Mischwesen die schlechtesten Eigenschaften beider Spezies aufwiese? Also im Falle der ­Makaken und der Menschen ein Wesen herauskäme, dessen Hauptmerkmale wie folgt wären: ausgeprägte Tagaktivität, um unschuldige Langschläfer zu stören, unattraktiv behaarte Hintern, eine gewisse Unfähigkeit, die Klappe zu halten, sowie Machogehabe gepaart mit überschaubarer Intelligenz und Mangel an Manieren?

Ooops.

 

Kim Bönte