Die Boxkolumne: Boxerinnen kämpfen gegen sexuelle Übergriffe 

»Verschweigen, vertuschen, verharmlosen«

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Missbrauch und sexuelle Gewalt gegen Frauen sind im Boxsport keine, wie es oft verharmlosend heißt, bedauerlichen Einzelfälle. Dies wurde zuletzt Ende Oktober deutlich. Damals wurde bekannt, dass die Ermittlungsbehörden gegen drei Boxtrainer, die am Heidelberger Olympiastützpunkt gearbeitet hatten, wegen des Verdachts sexueller Übergriffe ermitteln. Anlass war eine anonyme E-Mail. Das Schreiben ging an die Box-Landesverbände sowie an etliche Boxvereine in Baden-Württemberg.

Den drei Beschuldigten wurde unter anderem vorgeworfen, dass sich minderjährige Boxerinnen zum Wiegen nackt hätten ausziehen müssen, sie angefasst worden seien und es zu sexuellen Belästigungen verbaler und schriftlicher Art gekommen sei. Wie viele Athletinnen betroffen sind, sei noch unklar. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg sagte dem SWR, dass es sich um viele Fälle handele. Die Taten sollen bis ins Jahr 2012 zurückreichen.

Die Amateurboxerin Sarah Scheurich gehört zu jenen Boxerinnen, welche Anfang 2018 die Kampagne »Coach, don’t touch me!« (Trainer, berühre mich nicht!) gegründet haben. Sie wies schon damals auf Diskriminierung von Frauen hin, die nicht allein von Trainern ausgehe. So veröffentlichte die Athletin in den sozialen Medien Kommentare, mit denen sie als Frau im Boxen ständig konfrontiert werde. Beleidigungen wie »Kampflesbe« oder Sprüche wie »Dein Kreuz ist zu breit für ein schulterfreies Kleid« seien keine Seltenheit.

Ornella Wahner, die einzige deutsche Amateur-Boxweltmeisterin, musste ähnliche Erfahrungen machen. Als einziges Mädchen bei den Neuköllner Sportfreunden sei sie eine »kleine Attraktion« ­gewesen, wie sie in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung erzählte. Man habe ihr nicht so viel zugetraut; die pubertierenden Jungs seien »noch ein Stückchen derber« gewesen.
 

Mittlerweile wurden die Ermittlungen gegen zwei der drei Stützpunkt-Trainer eingestellt. Der Staatsanwaltschaft Heidelberg zufolge hätten sie »keinen hinreichenden Verdacht einer sexuellen Handlung der beiden Beschuldigten im strafrechtlichen Sinne ergeben«. Der zuständige Sprecher betonte auf Nachfrage des Deutschlandfunks, dass die teilweise Einstellung nicht bedeute, dass die Aussagen der Zeuginnen nicht glaubwürdig gewesen seien; vielmehr habe die Staatsanwaltschaft keine Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung gesehen. Während der Ermittlungen wurden sieben Zeuginnen befragt. Das dritte Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Konstanz übernommen.

Die Reaktionen der Boxverbände auf die von Scheurich initiierte Kampagne waren vor drei Jahren dürftig ausgefallen. »Sie haben nicht einmal ein öffentliches Statement gegen sexuellen Missbrauch abgegeben oder ihren Willen bekundet, die Athletinnen zu schützen und die Vorwürfe aufklären zu wollen«, sagte die Boxerin Ende vergangenen Jahres den Stuttgarter Nachrichten.