Hooligans der SG Dynamo Dresden verletzten am Wochenende zahlreiche Menschen

Hooligans gegen Journalisten

Hunderte Hooligans der SG Dynamo Dresden lieferten sich am Sonntag stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei. Unter ihnen tummeln sich seit vielen Jahren zahlreiche Neonazis.

In den Tagen vor dem vorletzten Spiel von Dynamo Dresden in der 3. Liga zeichnete sich bereits ab, dass es rund um das Heimstadion brenzlig werden könnte. Sowohl der Verein als auch das Fanprojekt appellierten an den eigenen Anhang, dem Rudolf-Harbig-Stadion beim Spiel gegen Türkgücü München fernzubleiben; ein Spiel, in dem Dynamo den Zweitliga-Aufstieg sichern konnte. Die Vereinsführung kündigte an, dass sich die Mannschaft auch im Falle eines Sieges den Fans aufgrund der Pandemie nicht zeigen werde. Trotzdem mobilisierten Anhänger des Traditionsclubs in den Großen Garten nahe des Stadions – mehr als 3000 Fußballfans folgten diesem Aufruf.

Die Fan-Organisation Schwarz-Gelbe Hilfe sprach von den schwersten Ausschreitungen am Rande eines Dynamo-Spiels seit mehr als zehn Jahren.

Als diese sich nach dem dritten Tor ihres Vereins dann als Demonstrationszug in Richtung Stadion bewegten, kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Ein regelrechter Hagel von Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern ging auf die Beamten nieder. Barrikaden wurden errichtet und die Polizeikräfte immer wieder von der Masse zurückgedrängt. Der eingesetzte Wasserwerfer musste zwischendurch aufgetankt werden, weil er nahezu durchgehend im Einsatz war. Die Lage beruhigte sich erst Stunden nach dem Abpfiff des Spiels. Die Polizei zählte mindestens 185 verletzte Beamte sowie mindestens 40 weitere Menschen, die vom Rettungsdienst versorgt werden mussten. Die Schwarz-Gelbe Hilfe, eine Fan-Organisation, sprach von den schwersten Ausschreitungen am Rande eines Dynamo-Spiels seit mehr als zehn Jahren.

Nur wenige Tage vor diesen Ausschreitungen war der Prozess gegen die rechtsextreme Hooligangruppe »Faust des Ostens« zu Ende gegangen. Jugendliche Neonazis hatten die Vereinigung am 20. April 2010, dem Jahrestag von Adolf Hitlers Geburtstag, gegründet. In den darauffolgenden Jahren gingen von der Gruppierung zahlreiche Übergriffe aus. Im Frühjahr 2011 hatten sie in Dresden Migranten angegriffen und unter »Sieg Heil«-Rufen verprügelt. Während der Fußball-Europameisterschaft 2012 sollen die Hooligans die Spiele für diverse Angriffe auf Migranten und Migrantinnen im Stadtgebiet genutzt haben. Im gleichen Jahr gab es Razzien der Polizei gegen Mitglieder der Gruppe. Fünf von ihnen wurden bereits 2013 unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt, das Verfahren verzögerte sich jedoch.

Organisierte Aktivitäten der Gruppe ließen seitdem nach. Einzelne Mitglieder waren später an anderen rassistischen Straftaten beteiligt. Erst nachdem die Sprecherin für antifaschistische Politik der Partei »Die Linke« im Sächsischen Landtag, Kerstin Köditz, über eine Kleine Anfragen Druck ausübte, wurde der Prozess terminiert. »Das ganze ›Faust des Ostens‹-Verfahren zeigt aus meiner Sicht lediglich, wie man rechte Strukturen nicht bekämpft«, sagte Köditz dem NDR vor einem guten Jahr. Die Urteile gegen drei Rädelsführer der »Faust des Ostens« fielen nach so vielen Jahren mild aus. Es gab eine niedrige Bewährungsstrafe und Geldstrafen.

Zu dem Zeitpunkt, als die »Faust des Ostens« in Dresden ihr Unwesen trieb, war Chris* gerade mal sieben Jahre alt. Zehn Jahre später ist der junge Mann einer der zwei Betreiber des Twitter-Kanals vue.critique, den er zusammen mit einem Mitschüler zu Beginn des Jahres ins Leben gerufen hat. Entstanden ist die Idee aus einem Schulprojekt über Pegida. Mit ihrem Jugendpresseausweis waren beide am Sonntag vor dem Stadion von Dynamo Dresden unterwegs, nachdem sie in der Stadt einen Aufzug von »Querdenkern« dokumentiert hatten. Sie beobachteten und fotografierten, wie Hooligans die Polizei und andere Journalisten attackieren.

Immer wieder wurde auch in ihre Richtung »Judenpresse« gerufen und sie wurden bedroht. Obwohl sie versuchten, sich in der Nähe der Polizei aufzuhalten, gelang es einzelnen Hooligans, die beiden Jugendlichen gezielt anzugreifen. Der Mitstreiter von Chris wurde dabei mehrfach mit Fäusten in den Bauch und auf den Kopf geschlagen, er verlor das Bewusstsein. Chris berichtet im Gespräch mit der Jungle World, dass die Rettungswagen im Minutentakt zum Krankenhaus fuhren. Auch Chris’ Begleiter wurde nach dem Angriff in einem der Krankenwagen weggefahren. Sein Zustand war nach Einschätzung der Notärztin zu diesem Zeitpunkt kritisch, später wurde ein Schädel-Hirn-Trauma diagnostiziert.

Dass sich einen Tag nach diesen Vorfällen die Geschäftsleitung von Dynamo Dresden und das Fanprojekt bei beiden meldeten, um sich nach ihrem Zustand zu erkundigen und zu einem klärenden Gespräch einzuladen, zeigt, dass Verein und Fanprojekt aus den vergangenen Jahren gelernt haben. Dynamo war nicht nur durch die »Faust des Ostens« in die Schlagzeilen geraten. So fanden bereits 2012 Prozesse gegen Mitglieder der »Hooligans Elbflorenz« statt. Diese sollen unter anderem beteiligt gewesen sein, als Hooligans nach dem Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen die Türkei im Sommer 2008 Migranten und deren Geschäfte im Dresdner Alternativstadtteil Neustadt angriffen. In dieser Zeit galt die Fanszene von Dynamo Dresden als besonders gewaltaffin und von Neo­nazis dominiert. Dieser Ruf haftet dem Verein bis heute an.

Doch inzwischen hat ein Umdenken bei Vereinsführung und Fanprojekt stattgefunden. Neben Aktionen unter dem Motto »Rassismus ist kein Fangesang«, bei denen sich regelmäßig Identifikationsfiguren des Vereins über die Videotafeln mit klaren Botschaften an die Fans im Stadion wenden, gibt es seit 2012 den mit mehreren Tausend Euro dotierten »SGD-Preis für Enga­gement gegen Gewalt und Ausgrenzung sowie für Akzeptanz und Menschlichkeit«. Ausgezeichnet werden seit Jahren Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus in ländlichen Regionen Sachsens engagieren. In diesem Jahr erhielt den Preis der Treibhaus e. V. aus Döbeln, der in den vergangenen Jahren immer wieder mit Anfeindungen der AfD zu kämpfen hatte. In Dresden ist mit der antirassistischen Faninitiative »1953international« auch ein Gegenentwurf zu rechten Fangruppierungen entstanden. Dass die Arbeit von Fanprojekt und Vereinsführung gegen die rechtsextremen Fans in den eigenen Reihen immer noch am Anfang steht, haben die Ereignisse des Wochenendes jedoch wieder eindrücklich unter Beweis gestellt.

* Name von der Redaktion geändert.