Gute Gründe, die gegen Franziska Giffey als Regierende Bürgermeisterin von Berlin sprechen

Bye-bye Giffey

Weil sie in ihrer Doktorarbeit plagiiert hat, ist Franziska Giffey als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. Regierende Bürgermeisterin Berlins will sie bedauerlicherweise dennoch werden.
Kommentar Von

Franziska Giffey war als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln Nachfolgerin und Ziehkind Heinz Buschkowskys. Damit weiß man als Neuköllnerin eigentlich schon alles, was man über die Kandidatin der SPD für das Amt des Regierenden Bürgermeisters wissen muss, um zu dem Schluss zu kommen: Das täte der Stadt nicht gut. Oder genauer: Das täte Berlin als einer der wenigen erträglichen Metropolen – im Sinne von Lebenshaltungskosten und atembarer Luft – nicht gut. Genauso wenig der berühmt-berüchtigten Berliner Vielfalt, die ohnehin fast nur noch Sozialkitsch ist.

Apropos Sozialkitsch: Am Tag nach ihrem Rücktritt als Bundesfamilienministerin postete Giffey auf Facebook ein Foto eines kleinen Vogels, der auf einem blühenden Zweig sitzt, daneben die Sätze: »Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte. Nicht weil er dem Ast vertraut, sondern seinen eigenen Flügeln.« Ist diese Poesialbumsmetaphorik einer zukünftigen Regierenden Bürgermeisterin der schmutzigen, schnodderigen Hauptstadt angemessen? Und was soll das überhaupt bedeuten? Was ist der Ast, auf dem das Vögelchen Giffey saß und der nun wegbricht? Ihr Doktortitel? Ein Betrugsversuch? Ihre weiße Weste? Und was wären die Flügel, auf die sie sich nun verlässt? Die Erklärung, sie habe nichts wissentlich falsch gemacht, sondern ihre »Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben«? Eine SPD, die sie nun mal zur Spitzenkandidatin gemacht hat und die nun – allein aus Mangel an Zeit und anderen erfolgversprechenden Kandidaten oder Kandidatinnen – gar nicht mehr anders kann als an ihr festzuhalten?

Das führt uns zurück zur Berliner beziehungsweise Neuköllner SPD und zu Heinz Buschkowsky, Neuköllner Bezirksbürgermeister von 2001 bis 2015 und Autor des Buches »Neukölln ist überall« (2012), in dem er behauptete, das multikulturelle Zusammenleben sei ­gescheitert. Das proletarische und migrantische Neukölln wollte er trotzdem mit wenig Zuckerbrot und viel Peitsche zu besserem Benehmen bringen. Buschkowsky war der strenge Lehrer mit dem Rohrstock, die Nachfolgerin Giffey bediente sich etwas modernerer Methoden, wie dem Zutexten von Widerspenstigen und dem zuckrigen Verkleistern von Gegensätzen. Sie verkörperte als Bezirksbürgermeisterin eher das Abziehbild einer betulichen Kindergartentante.

Auf das schmutzige Nordneukölln ging sie mit der Kampagne »Schön wie wir« los, bei der sie die gelben Besen mit den pinken Borsten durchaus mal selbst in die Hand nahm, um Bürgernähe zu beweisen. Diese Regierungsstrategie hat sie mit dem »Gute-Kita-« und »Starke-Familien-Gesetz« auch im Frauen- und Familienministerium angewendet, es hat sich allerdings als wenig krisen- und pandemietauglich erwiesen. Nach ihrem Rücktritt spotteten in den sozialen Medien viele, man habe ja gar nicht gemerkt, dass es eine Familienministerin gegeben habe. Liegengeblieben ist glücklicherweise das »Wehrhafte-Demokratie-Gesetz«, das Giffey eng mit Heimatminister Horst Seehofer (CSU) abgestimmt haben soll; dieser bezeichnete die Zusammenarbeit der Süddeutschen zufolge als »ausgesprochen gut«.

Jetzt will sie sich wieder auf ihre »Herzenssache« Berlin konzen­trieren. Davon ist nichts Gutes zu erwarten. Nach ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden der Berliner SPD trat sie mit dem Versprechen an, sie werde die »fünf B« priorisieren: »Bauen, Bildung, Bürgernähe, beste Wirtschaft und Berlin in Sicherheit«. Wenn schon schiefe Alliterationen, dann lieber: Bratwurst, Badesee, Berliner Luft (ein Pfefferminzlikör), Bier und böse Immobilienkonzerne enteignen.