Die Nerds von Weezer ­haben gleich zwei neue Alben herausgebracht

Der liebenswürdige Charme der Uncoolen

Von Weezer erschienen in diesem Jahr bereits zwei neue Alben. Die Band um den Sänger Rivers Cuomo kultiviert schon seit Jahrzehnten »nerdiness« bis zur Schmerzgrenze.

Über Rivers Cuomo, den Sänger, Gitarristen und hauptsächlichen Songschreiber der Band Weezer, lässt sich einiges sagen. Schräg soll der mittlerweile 50jährige sein, kindisch, introvertiert, nerdig und eine harte Nuss, wenn man ihn ­interviewt.

Es ließe sich erzählen, wie der junge Mann vom Erfolg des 1994 ­erschienenen ersten, schlicht »Weezer« benannten Albums (auch bekannt als »The Blue Album«), der an Nirvanas Durchbruch erinnerte, völlig überfordert war, danach erst einmal an die Uni ging und von Kommilitonen, die Weezer-Bandshirts trugen, nicht erkannt wurde. Es ließe sich etwas zum Privatleben von Cuomo erzählen, der in den Neunzigern noch seine sexuelle Frustration besang, um sich dann der buddhistischen Vipassana-­Meditation zu widmen und sich dann im Vorfeld seiner Ehe 2006 ­öffentlich zur sexuellen Abstinenz bekannte. All das sind Geschichten, die vielen Fans von Weezer präsent sind, weil sich um diese sehr eigenartige Band mit ihrem speziellen Frontmann ein Kult von Bewunderern gebildet hat, der mindestens so nerdig ist wie die Musik selbst. Dass das bis heute so blieb, ist, für sich genommen, durchaus bemerkenswert.

Hinweise darauf, dass Weezer ihre ironischen Salven präzise planen, gibt es genug. Schon im Song »Buddy Holly« von 1994 thematisierte Sänger Cuomo die randständige Uncoolness von Rockmusik in Zeiten einer bereits damals dominanten HipHop-Jugendkultur.

Eine Sache lässt sich jedoch nicht so einfach sagen: dass dieser Typ und seine Band, die im kommenden Jahr ihr 30jähriges Bestehen feiern kann, jemals faul und selbstgefällig gewesen oder geworden seien. 221 Songs sind bislang unter dem Namen Weezer veröffentlicht worden, der Großteil nach dem Comeback der Band im Jahr 2000. Nicht wenige davon wurden Hits, unter Umständen sogar Welthits, so wie das bis heute wohl international bekannteste, »Island in the Sun«, das von vielen Fans so gehassliebt wird wie »Wonderwall« im Fall von Oasis. Aber auch Weezers leichtgängiger Strandkorb-Song hat nunmehr 20 Jahre auf dem Buckel. Davon unbeirrt machen Weezer im Jahr 2021 immer noch Rockmusik. Und zwar ganz viel davon auf einmal.

Weil sich wegen der Pandemie Veröffentlichungstermine verschoben, erschienen gleich zwei neue Alben mit kurzem Abstand nacheinander in diesem Jahr, nämlich »OK Human« und »Van Weezer«. Ersteres ist eine recht komplexe ­Angelegenheit, der Titel offensichtlich eine Anspielung auf Radioheads Meilenstein »OK Computer« von 1997, eingespielt unter Zu­hilfenahme eines 38köpfigen Orchesters. Letzteres ist eine Ode auf den kürzlich verstorbenen Eddie Van Halen, auf Glamrock und Hair Metal der achtziger Jahre. Zur Präsentation war eine nostalgische Tour geplant mit – Emo-Millennials dürfen sich festhalten – Green Day und Fall Out Boy, die bislang aber nicht statt­gefunden hat. Das alles klingt so schrecklich nach den nuller Jahren, nach alten Männern mit Gitarren und peinlichen Wiederauf­führungen von weinerlichen Songs über den ersten Sex und das Verlassenwerden, dass es schon beim Schreiben darüber ein bisschen weh tut. Aber Weezer taten und tun immer ein bisschen weh. Das ist Teil des Konzepts.

Vielen der Songs auf »Van Weezer« klingen tatsächlich so, als hätte Rivers Cuomo sie traurig und sehnsüchtig eben noch auf dem Bett seines Studentenzimmers geschrieben, oder gar noch in früheren Tagen, in der von ihm 1994 zitierten Garage, in der ein Poster seiner »favorite rock band Kiss« (»In the ­Garage«, 1994) hing. Und wieder ist alles ein bisschen drüber, alles ein bisschen zu kitschig: das tatsächlich ziemlich nach Van Halen klingende Tapping-Intro von »The End of the Game« ist ein bisschen zu bemüht, die Metal-Metall-Sprachwitze in »Precious Metal Girl« sind ein wenig zu schal. Kurzum: »Van Weezer« ist auf den ersten Blick ein planmäßiger Unfall, mit Anlauf und effektvoller Landung auf dem Bauch. Gemessen daran wäre es legitim zu fragen, ob das alles ernst gemeint sein kann. Aber wer diese Frage stellt, ist schon in die Weezer-Falle getappt und dem liebenswürdigen Charme des Uncoolen bereits erlegen.

Es ist möglich, dass Generationen von Weezer-Fans nichts anderes tun, als einem ausgekochten, ironischen Spiel mit der Coolness auf den Leim zu gehen, denn ernstzunehmen war im Gesamtwerk der Band selten irgendetwas und es bleibt vorstellbar, dass einige der Songs auf »Van Weezer« nur geschrieben wurden, um zu prüfen, wie überzogen die Gesten der Band sein können, um dennoch damit durchzukommen. Aber: Weezer wären nicht Weezer, wenn ­dieser Absturz ins absolut Uncoole nicht programmiert wäre, wenn nicht die ganze Idee dieser Band auf dem Klischee des nerdigen Außenseiters in der Schule basieren würde, jenes Außenseiters, der schräge Musik hört, seltsam redet, läuft, atmet und seine Seltsamkeit immer weiter ausbaut, je weiter er sich vom Mainstream abkoppelt; jenes Außenseiters, der in der Pubertät als Verlierer erscheint, sich später aber nicht dafür rechtfertigen muss, dass er seine Eigenheiten und Wünsche konsequent und ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Reputation gepflegt und verfolgt hat.

Hinweise darauf, dass Weezer ihre ironischen Salven präzise planen, gibt es genug. Schon im Song »Buddy Holly« von 1994 thematisierte Cuomo die randständige ­Uncoolness von Rockmusik in Zeiten einer ­bereits damals dominanten HipHop-Jugendkultur, deren Sprache er ­persiflierte (»What’s with these homies dissin’ my girl?«). Und spätestens seit Weezer den ­wiederentdeckten Hit des postironischen Zeitalters – »Africa« von Toto – nach halbjährigem Betteln eines Twitter-Nutzers 2018 tatsächlich als Cover herausbrachten, ist klar, dass Weezer knapp, aber doch spürbar eine digital native-Band geworden sind, bei der pop­kulturelle Referenzen nicht Teil irgendeiner großen Erzählung sind, sondern Selbstzweck sein können: Nichts ist zu blöd, um es nicht zu machen. Noch so eine Sache, die sich definitiv nicht über Weezer sagen lässt: Dass sie nicht genau wüssten, was sie tun.

Wenn das stimmt, dann bleibt noch die Frage: cringe oder based? Darauf gibt es eine einfache Antwort: der Weezer-Fan hat sich ohnehin längst davon verabschiedet, dass er irgendwie angesagte Musik hört, denn angesagt war diese Band vielleicht höchstens für einen kurzen Moment mal, danach gelangen Weezer lediglich gute oder schlechte Wiederaufführungen. Was ihnen aber immer glückte und glückt, ist, nie bemüht zu wirken, nie verzweifelt, drängend und bettelnd um Aufmerksamkeit, um ­Dazugehören. Und das verleiht selbst dem größten Quatsch eine Erhabenheit, die sich auch auf »Van Weezer« wiederfinden lässt, trotz all der Pose.

In diesem Sinne ist ein maßloses Retro-Rock-Album wie »Van Weezer« in all seiner Flachheit und mit all seinen Bubblegum-Refrains ein regelrecht subversives Werk. Wer sich darauf einlassen kann, spürt sogleich die wohlige Wärme, die entsteht, wenn man sich selbst und seinen Musikgeschmack nicht zu ernst nimmt, weil man weiß, dass man eben keine 17 mehr ist und ­irgendwen beeindrucken oder nach irgendjemandes Regeln funktionieren muss, um die so sehnlichst gewünschte Anerkennung zu er­halten. Mit anderen Worten: Wer sich den Spaß noch nicht selbst verbietet, wenn dieser nicht hip genug daherkommt, wird seine helle Freude an diesem Album haben. Und sie sei ihm herzlich ­gegönnt, denn nichts ist uncooler, als unbedingt cool sein zu wollen. Oder, um es mit den Worten von ­Rivers Cuomo zu sagen: »Even if we blow up, we’re never gonna grow up.«

Weezer: OK Human; Van Weezer (beide Crush Music/Atlantic Records)