Die preisgekrönte Reportage: Reiner Haseloff erklärt seine Wahlsiegstrategie

Die Stockholm-Strategie

Kolumne Von

Strahlend spaziert Reiner Haseloff durch die Straßen Magdeburgs. Die Menschen lachen, werfen blaue Narzissen, heben den Arm zum Gruß. Haseloff genießt diesen Sommertag sichtlich, genießt den wohlverdienten Wahlsieg vom Sonntag. »Das ist ein starker Sieg für das demokratische Lager«, sagt er, während er ein paar Hooligans am Straßenrand schmunzelnd mit dem Zeigefinger droht.

Dabei sah die Lage noch vor wenigen Wochen völlig anders aus: »In rechtsextremen Umfragen schien es so, als würden die Rechtsextremen gewinnen«, sagt Haseloff und versucht für einen Moment, seine Stirn in Sorgenfalten zu hüllen – vergeblich. »Deswegen haben wir auch die Wählerinnen und Wähler von SPD, Linken und Grünen vor die Vertrauensfrage gestellt: Wollt ihr eure Stimme wirklich an eure Folkloreparteien verschwenden? Dann könnt ihr sie auch gleich den Nazis geben!«

Eine Strategie, die aufging – zahlreiche Leihstimmen haben das Ergebnis der CDU deutlich verbessert. Haseloff weist auch auf die Lage im Bund hin: »Ich nenne es die Stockholm-Strategie: Wir müssen systematisch AfD-Positionen fördern, um uns dann als einzige Rettung vor der AfD zu präsentieren. Da müssen dann auch die Grünen mitziehen!«

Rainer Wendt, Fast-Staatssekretär in Sachsen-Anhalt, geht zu einem Straßenbettler, tritt ihm den Hut weg. Sofort helfen Passanten, die Münzen einzusammeln, reden beruhigend auf den Mann ein. »Sehen Sie? So aktivieren Sie die Selbstheilungskräfte der Demokratie! Indem wir die Menschen motivieren, den Dreck weg­zumachen, den die CDU angerichtet hat.«

Gleichzeitig betont Haseloff, auf keinen Fall auf die Milieus der Leihstimmen eingehen zu wollen: »Das sind Linksextremisten! Gut, sie ­haben diesmal CDU gewählt, aber nur, weil wir sie dazu gezwungen ­haben. Purer Opportunismus! Ein weiterer Grund, diese Leute zu ver­abscheuen.« Sein Blick verdüstert sich, als er nach dem Wahlergebnis unter jungen Menschen gefragt wird – 30 Prozent der Personen zwischen 25 und 35 haben AfD gewählt. »Mir macht da vor allem die mangelnde Lesekompetenz Sorgen. Wenn die Leute mal bitte ins CDU-Parteibuch schauen würden? Unsere Positionen sind gar nicht so weit von­einander weg. Aber naja, Jugend will provozieren … «

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.