Eine reaktionäre Fraktion in der Linkspartei unterstützt das autoritäre Regime Russlands

Wladimir, wir steh’n zu dir

Mit der Parteinahme für das autokratische Regime Russlands geriert sich »Die Linke« oppositionell, doch sie vertritt Unternehmerinteressen und reaktionäre Ressentiments.
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Bereits Lenin seufzte angesichts des großrussischen Chauvinismus in der Linken, und bis heute sprechen viele von Russland, wenn die Sowjetunion gemeint ist. Das vermeidet Sevim Dağdelen. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, die ihre Fraktion als Obfrau im Auswärtigen Ausschuss vertritt, spricht in ihrem am Montag im Neuen Deutschland veröffentlichten Beitrag vom »80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion« und fordert: »Freundschaft mit Russland und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken muss Maxime deutscher Politik werden.« Doch vom Engagement der Linkspartei für jene anderen Sowjetrepubliken – und auch für andere von Deutschland überfallene osteuropäische Staaten – ist wenig zu bemerken, vielmehr stellt sie sich bei Konflikten regelmäßig auf die Seite Russlands.

Anfang April beklagte Dağdelen nicht näher benannte »Drohungen der Ukraine im Hinblick auf die Krim«, die 2014 von Russland annektiert wurde, und forderte, die Bundesregierung müsse »einem Nato-Beitritt der Ukraine eine offizielle Absage erteilen«. Dass Deutsche über die Bündniszugehörigkeit und Sicherheitspolitik der Ukraine entscheiden sollen – ein Nato-Beitritt erfordert Einstimmigkeit der Mitglieder –, gilt in der Linkspartei offenbar als unproblematisch. Es gibt in der Partei mittlerweile allerdings vermehrt Kritik an der Parteinahme für das autoritäre Regime Russlands.

Vielleicht auch um die Reihen wieder zu schließen, schlägt Dağdelen in Neuen Deutschland einen schrillen Ton an. »Die Bundesregierung stellt die Weichen ganz offen auf die Vorbereitung eines Krieges gegen Russland«, behauptet sie. »Säbelrasseln, Konfrontationsgeschrei und Kriegsgeheul prägen die deutsche Öffentlichkeit zunehmend. Jeder, der widerspricht, wird als Kreml-Marionette abgestempelt.«

Dass Dağdelen sich im Stil der populistischen Rechten einer Kombination aus faktenfreien bis -widrigen Behauptungen mit der Selbstdarstellung als mutige Kämpferin gegen eine Meinungsdiktatur bedient, ist wohl kein Ausrutscher. Im wirklichen Leben ist die Position der Linkspartei von jener der Union und der SPD nicht allzu weit entfernt, die sich zumeist mit der Phrase behelfen, man dürfe »den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen«, wenn der russische Präsident Wladimir Putin wieder mal etwas angestellt hat, was man eigentlich nicht durchgehen lassen kann. Wie groß die Einigkeit auch mit den am Russland-Geschäft interessierten Unternehmern ist, machte im Juni vergangenen Jahres der Auftritt von Michael Harms, dem Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, im Bundestag, genauer: im Fraktionssaal der Linkspartei deutlich. Harms und der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst warben dort für die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2, die russisches Erdgas nach Deutschland transportieren soll, und empörten sich über die damaligen US-Sanktionen gegen das Projekt.

Wer radikale Opposition simulieren will, wo man sich mit einer sehr großen Koalition aus Politik und Wirtschaft im Wesentlichen einig ist, muss rhetorisch überdrehen. Doch dürfte es noch einen weiteren Grund für die besondere Hege und Pflege geben, die man Putin – nicht aber den Autokraten der zentralasiatischen ehe­maligen Sowjetrepubliken – angedeihen lässt. Für die christliche Rechte ist Russland ein Bollwerk gegen den »angelsächsischen ­Liberalismus«. Eine vergleichbare Haltung hat sich in einer reaktionären Strömung der Linken herausgebildet, die sich von den ­ihnen aufgezwungenen emanzipatorischen Grundsätzen gerne verabschieden würde.

Tatsächlich ist Russland ein Bollwerk gegen die von Sahra Wagenknecht beklagten Forderungen von »immer skurrileren Minderheiten« und die ideologische Hegemonie des »angelsächsischen Liberalismus«. Unpopulär sind solche Ansichten nicht, relevant bei der Stimmabgabe aber wohl nur für eine ideologisch motivierte Minderheit, die sich überwiegend für die offen reaktionäre Variante des Putinismus, die AfD, entscheiden dürfte.