Zum 150. Geburtstag von Marcel Proust

In der Vergangen­heitsform

Am 10. Juli jährt sich der Geburtstag von Marcel Proust zum 150. Mal. Über Erinnerung im Zeitalter der Popkultur.

Simon Reynolds zufolge befinden sich im Zeitalter des Pop alle auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Die Kultur sei verrückt nach »permanenter Erinnerung«, ganz so, als könne die Zukunft nichts mehr bieten, schreibt der britische Musikkritiker in seiner 2011 erschienenen Studie »Retromania«. Revivals am laufenden Band, Reunions bekannter Bands, Retrostil in der Mode, Reenactment in der Kunst – ermöglicht werden diese Phänomene nicht zuletzt durch die riesigen Online-Archive, die jedes noch so abwegige Wissen mit einem Mouseclick zugänglich machen. Reynolds befürchtet jedoch, dass die Popkultur einen langsamen Tod stirbt, weil sie an der eigenen Geschichte erstickt.

Der paradoxe Vorgang aus Finden und Erfinden der Vergangenheit mündet im Fortgang des Romans in einen Strudel aus Verzweiflung über der Frage, welche Erinnerung wahr ist.

Marcel Proust, der am 10. Juli 1871 in Paris geboren wurde und am 18. November 1922 ebendort starb, reflektierte bereits in seinem 1909 begonnenen siebenbändigen Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« den Beginn einer Epoche, in der erstmals in der Menschheitsgeschichte ein vollkommenes mediales Archiv denkbar wurde. Technische Neuerungen machten diese Vorstellung erst möglich: Fotografien konnten das Antlitz eines Menschen für die Ewigkeit bewahren, Filme die Bewegung festhalten, Grammophone die menschliche Stimme. Damit schufen die im 19. Jahrhundert entwickelten neuen Medien eine alternative Realität, die durch eine gespenstische An- und Abwesenheit des Lebens selbst gekennzeichnet ist.

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