Angela Merkel taugt kaum als feministisches Vorbild

Keine Federn für die Kanzlerin

Angela Merkel wollte sich nie als Feministin bezeichnen. Das wäre auch vermessen.
Kommentar Von

Als Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde, lag der Feminismus in Deutschland im Dornröschenschlaf. Selbst an Demonstrationen zum Internationalen Frauentag am 8. März beteiligten sich nur wenige Hundert Feministinnen. Während Merkels Amtszeit wurde es aber wieder interessant und dann in manchen Bereichen sogar vorteilhaft, sich als Feministin zu bezeichnen. Sie selbst hat dazu allerdings nicht wirklich etwas beigetragen.

Als sie 2017 auf dem Women20-Gipfel in Berlin gefragt wurde, ob sie Feministin sei, schlug sie lachend vor, man könne ja darüber abstimmen. Sie wolle sich jedenfalls nicht selbst »mit der Feder schmücken«. Da galt die Bezeichnung bereits als Schmuck und nicht mehr als Makel.

Bezeichnet wurde sie zunächst als »Kohls Mädchen«, später als »Mutti« der Nation, obwohl sie weder etwas Mädchenhaftes noch etwas Mütterliches ausstrahlte – es gibt eben nicht so viele Stereotype für Frauen in der Politik, da muss das jeweils verwendete nicht mal passen, solange es nur abwertend ist. Dieses Jahr hat das Wirtschaftsmagazin Forbes Merkel zum zehnten Mal in Folge zur mächtigsten Frau der Welt erklärt, aber auch in einer Liste der mächtigsten Personen weltweit stünde sie ganz schön weit oben.

Lange merkte man ihr an, dass sie – wie viele Frauen, die es bis nach ganz oben geschafft haben – ihr Frausein am liebsten unkommentiert sah, als hätte sie es weder trotzdessen noch deswegen geschafft. Schon als Bundesministerin für Frauen und Jugend (1991–1994) hatte sie keine frauenpolitische Agenda, dabei hätte es doch zu ihren vielgerühmten Qualifikationen gehört, eine solche zu haben und durchzusetzen. Ein sogenanntes weiches Ministerium zu führen, war 1991 aber wohl der nächstliegende Schritt auf dem Weg zur Macht für die Physikerin aus Ostdeutschland.

In Merkels Wikipedia-Artikel findet sich im Abschnitt über diese Station ihrer Karriere keine relevante Entscheidung. Das ist bemerkenswert, weil in ihre Amtszeit eine heftige Debatte über den Abtreibungsparagraphen 218 fiel – einer der härtesten Brocken der Gesetzesvereinheitlichung zwischen ehemaliger DDR und BRD. Die CDU stand Anfang der neunziger Jahre deutlich weiter rechts als heutzutage, sie machte sich zur Anwältin des »ungeborenen Lebens« und stand unter starkem Druck der katholischen Kirche. Die Fristenregelung mit Beratungspflicht, die der Bundestag 1992 beschloss, hatte Merkels Parteikollegin Rita Süssmuth vorgeschlagen, die als Abweichlerin behandelt wurde. Merkel enthielt sich, sagte in der 16stündigen Parlamentsdebatte aber den Satz, der die damalige Parteilinie zusammenfasst: »Der Paragraph 218 ist nicht geeignet, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau unbegrenzten Raum zu geben.« Die bayerische Landesregierung und 248 Bundestagsabgeordnete bewirkten eine Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht. Beim nächsten parlamentarischen Anlauf war Merkel bereits Umweltministerin.

Ist Merkel ein feministisches Vorbild? Vielleicht für die »Neuen deutschen Mädchen« oder die »Alphamädchen«, wie zwei Buchtitel Ende der nuller Jahre lauteten, als ein individualistisch kecker, aber recht ungefährlicher und eigentlich unkritischer Feminismus in Mode kam. Feministinnen, die alle Verhältnisse umwerfen wollen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist, begeistern sich eher weniger dafür, dass auch Frauen Kanzlerinnen oder Vizepräsidentinnen demokratischer Staaten werden können. Auf die Idee, Angela Merkel mit der Feder »emanzipatorische Feministin« auszuzeichnen, würde wohl niemand kommen.