Xavier Naidoo macht mit Rechtsextremen Musik für »Querdenker«

Ganz rechts angekommen

Xavier Naidoo fiel schon lange mit Verschwörungserzählungen auf, inzwischen macht er gemeinsam mit Rechtsradikalen Musik für »Querdenker«.

Vor 20 Jahren erschien der Song »Adriano (Letzte Warnung)«, ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener Musiker unter dem Label »Brothers Keepers«. Der Song war eine Reaktion auf einen rassistischen Mord. Drei Betrunkene hatten im Jahr 2000 im Dessauer Stadtpark Alberto Adriano so brutal geschlagen, dass der aus Mosambik stammende Mann Tage später starb. Einer der am Lied beteiligten Musiker war Xavier Naidoo. Heutzutage musiziert der Soulsänger unter anderem mit Hannes Ostendorf, der 1991 an einem Brandanschlag auf ein Bremer Flüchtlingsheim beteiligt war und dessen Band Kategorie C beim Verfassungsschutz als Bindeglied zwischen Rechtsextremen, Hooligans und Rockern gilt.

Ein Video glorifiziert den militanten Widerstand gegen Coronaschutzmaßnahmen und das Impfen. Ein Rapper namens Scep fordert: »Mach Alarm, bewaffne dich, vernichte den tiefen Staat!«

Naidoo ist wiederholt durch Aussagen aufgefallen, die sich aus grassierenden Verschwörungsmythen bedienten. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er ein Video, in dem er tränenaufgelöst mitteilte, dass gerade »Kinder aus den Händen pädophiler Netzwerke befreit« würden. Auch der Begriff »Adenochrome« fiel – beides zentrale Elemente des Qanon-Mythos.

Eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung äußerte vor Jahren, wegen als antisemitisch zu deutender Aussagen sei nachweisbar, dass Naidoo ein Antisemit sei; dieser prozessierte 2018 und 2019 erfolgreich gegen diese Aussage. Benannt ist die Stiftung nach Amadeu Antonio Kiowa, einem der ersten Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990. Kiowa hatte eine dunkle Hautfarbe, ebenso wie Alberto Adriano – und wie Xavier Naidoo.

Der 49jährige soll sich derzeit in Spanien aufhalten, geplante Konzerte sind wegen der Coronaauflagen abgesagt oder verschoben worden. Naidoo blickt auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurück. Er war Gründungsmitglied der Musikgruppe Söhne Mannheims, Dozent an der Popakademie Baden-Württemberg, Juror bei »The Voice of Germany« und wäre 2015 fast der deutsche Teilnehmer beim Eurovision Song Contest geworden – was allerdings schon damals an seinen fragwürdigen politischen Äußerungen scheiterte.

Bis Anfang vergangenen Jahres war Xavier Naidoo noch Juror bei »Deutschland sucht den Superstar«. Inzwischen hat er alle Brücken abgebrochen und versucht dem Anschein nach, sich musikalisch an die Spitze der »Querdenker«-Bewegung zu stellen. Drei Lieder nahm Naidoo dieses Jahr auf, an denen Musiker und Aktivisten aus dem rechten bis offen rechtsextremen Milieu beteiligt waren. Ausgangspunkt für diese Kooperation war ein Netzwerk von Musikern, Aktivisten und Influencern, die unter dem Namen »Die Konferenz« agieren. Sie produzieren und veröffentlichen nicht nur gemeinsam Lieder und Videos, sondern betreiben auch ein Videoformat, bei dem die Teilnehmenden live allerlei über Covid-19 und sinistre Mächte raunen. An einer dieser virtuellen Talkrunden nahm Mitte Juni neben Naidoo auch der verurteilte Holocaust-Relativierer Nikolai Nerling teil, der als »Volkslehrer« bekannt ist.

Im Mai erschien die HipHop-Nummer »Ich mach da nicht mit« vom Kooperationsprojekt Rapbellions. Neben Naidoo, der den Refrain beisteuerte, waren rund 20 Rapper und Aktivisten beteiligt, viele von ihnen verbunden mit der Szene der »Querdenker« und Verschwörungsgläubigen. Text und Video glorifizieren den militanten Widerstand gegen Coronaschutzmaßnahmen und das Impfen. So wird ein Anschlag auf ein Impfzentrum gezeigt, ein Rapper namens Scep fordert: »Mach Alarm, bewaffne dich, vernichte den tiefen Staat!«

Kurz darauf folgte der Song »Heimat« – diesmal ein schnulziger Hymnus à la »We Are the World«. Neben Naidoo waren mehr als 20 Musiker und Aktivisten von »Die Konferenz« involviert. Das deutschtümelnde Lied transportiert in Text und Bild Botschaften, die von der »Identitären Bewegung« oder der AfD stammen könnten. Sequenzen im Video zeigen Demonstrationen gegen die Coronaschutzmaßnahmen, als wolle der Song sich als Hymne für eine Art Corona-Pegida empfehlen. Der überwiegende Teil der Mitwirkenden stammt aus dem rechten bis rechtsextremen Milieu, so etwa Hannes Ostendorf. Zurück geht die Kooperation auf ein Vernetzungstreffen am Osterwochenende im Tonstudio eines »Reichsbürgers« in Ribnitz-Damgarten in Mecklenburg-Vorpommern.

Ende August folgte dann »Deutschland krempelt die Ärmel hoch«, eine Kollaboration von Naidoo und Hannes Ostendorf, auch drei andere Musiker der Szene wirkten mit. Das Lied war Teil einer Mini-CD von »Hannes« mit insgesamt vier Songs. Auf dem Cover sind sowohl Naidoo als auch Ostendorf zu sehen – also der Mann, der als Jugendlicher in einen fremdenfeindlichen Brandanschlag verwickelt war.

Auf einem anderen Song der Mini-CD wirkt auch Nikolai Nerling mit. Ebenfalls beteiligt war Nico »Wiesel« R. aus dem Raum Ludwigshafen, ein Mitglied der rechten Szene-Band The Hoizers. Wegen Naidoos Vergangenheit – »Adriano« – und der Zuwanderungsgeschichte seiner Eltern entbrannte nach der Veröffentlichung zwischen »Wiesel« und anderen Mitgliedern in einem Rechtsrock-Chat ein Streit. Dem Musiker warf man vor, Verrat am Deutschtum begangen zu haben, weil er mit Naidoo kooperiert habe. »Ich bin gewiss kein Verräter«, entgegnete »Wiesel« und ergänzte: »Ich hasse nach wie vor das ganze Gesindel, multikulti usw.«

Der Titel »Deutschland krempelt die Ärmel hoch« lehnt sich an den Slogan der Impfkampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Robert-Koch-Instituts und der Bundesregierung an. Das Lied ruft zum Widerstand auf, denn es gehe darum, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken im Kampf gegen die Mächtigen. Wie schon die Lieder von den Rapbellions und »Die Konferenz« wurde auch das gemeinsame Lied von Naidoo und Ostendorf von einem relativ professionell produzierten Video begleitet. Rechtsextreme, Hooligans und Rocker wirken als Statisten mit und symbolisieren dabei die von Naidoo im Refrain besungenen »starken Männer«. Teile des Videos wurden im Bremen gedreht und provozierten einen Großeinsatz der Polizei, andere Szenen wurden in Essen auf dem Gelände eines Rockerclubs mit Mitgliedern der im Juli verbotenen »Bandidos« gedreht.

Einst galt Naidoo als Aushängeschild für Toleranz und Integration. Sein Song »Was wir alleine nicht schaffen (das schaffen wir dann zusammen)« wurde zur inoffiziellen Hymne der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft der Männer 2006. Im Juli 2006 sang Naidoo anlässlich der Begrüßung der deutschen Mannschaft auf der Fanmeile in Berlin vor dem Brandenburger Tor. Hinter ihm auf der Bühne feierten und schwoften Kicker und Betreuer, einige davon sangen mit. Der Auftritt wirkt heute wie aus einer anderen Welt. Naidoo sang damals auch die Zeile: »Unsere Waffe nennt sich unser Verstand.«