In Berlin soll der Wagenplatz des Hausprojekts Köpi geräumt werden

Kampf ums Köpi

Hunderte Menschen haben am Samstag gegen die Räumung des Wagenplatzes am Hausprojekt Köpi 137 demonstriert. Die Räumung ist für den 15. Oktober angesetzt.

Die erste Demonstration für den Erhalt des Wagenplatzes am Hausprojekt Köpi 137 verlief friedlich, trotz kämpferischer Rhetorik: »Jetzt ist es an der Zeit, unsere Wut auf die Straße zu tragen«, so eine Rednerin beim Auftakt des Protestes vor Haus und Wagenplatz in der Köpenicker Straße in Berlin-Mitte. Nach einer Gerichtsverhandlung am 10. Juni steht der Räumungstermin für den seit rund 20 Jahren bestehenden Wagenplatz fest: Am 15. Oktober soll das zur Zeit von einigen Dutzend Menschen bewohnte Grundstück der Startezia GmbH für Bauprojekte zur Verfügung gestellt werden. Dahinter soll der Immobilienunternehmer Siegfried Nehls stehen, der schon seit Jahren plane, auf dem Grundstück des geschichtsträchtigen autonomen Wohn- und Kulturzentrums neu zu bauen. In der über 30jährigen Geschichte der Köpi sind derartige Räumungsbestrebungen allerdings immer wieder gescheitert.

Die Demonstration wurde schon nach wenigen Metern von der Polizei gestoppt – wegen »polizeifeindlicher« Sprechchöre.

Am 23. Februar 1990 ist das Gelände an der Köpenicker Straße 137 besetzt worden, um den geplanten Abriss des Gebäudes zu verhindern. 1993 übernahm die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) die Verwaltung. Sie schloss mit den Bewohnern einen unbefristeten Mietvertrag – womit die Köpi im Grunde legalisiert war. Im folgenden Jahr wurde das Haus, wie viele Ostberliner Immobilien, im Rahmen sogenannter Rückübertragungsverfahren an einen früheren Eigentümer übergeben. Da der neue Eigentümer hoch verschuldet war, wurde die Köpi verpfändet und sollte zwangsversteigert werden – allerdings fand sich auch nach zwei Auktionen niemand, der in das als »Risikokapital« geltende Köpi investieren wollte.

Erst 2007 ersteigerte ein Mann namens Besnik Fichtner die Köpi samt Wagenplatz. Mit ihm konnten die Bewohnerinnen einen Mietvertrag für 29 Jahre abschließen. Das Hausprojekt schien »mittelfristig gesichert«, schrieb im Jahr 2008 das Berliner Mieterecho.

Doch schon im Februar 2013 stand die Köpi samt dem heute strittigen Wagenplatz erneut zur Zwangsversteigerung – den Zuschlag bekam die Startezia GmbH. Nach Recherchen der Taz handele es sich bei der Startezia GmbH allerdings um eine Briefkastenfirma, hinter der die Sanus AG mit ihrem Geschäftsführer Siegfried Nehls stecke. Der Mietvertrag der Köpi-Bewohner gilt nur für das Wohngebäude, nicht aber für den Wagenplatz. Dieser darf laut Bebauungsplan des Bezirks bebaut werden. Anfang dieses Jahres bemühte sich die Startezia GmbH schon einmal um eine Räumungsklage für den Wagenplatz – zunächst ohne Erfolg. Doch im Juni gab das Gericht der Startezia GmbH Recht und setzte den Räumungstermin auf den 15. Oktober fest.

Nehls hat in den vergangenen Jahren einiges dafür getan, um sich als Feindbild für Gentrifizierungsgegner zu profilieren. Seit 1996 treibt die Sanus AG, in deren Vorstand er sitzt, die Aufwertung von Berliner Stadtvierteln wie Prenzlauer Berg und Friedrichshain voran. Oder, wie Nehls es selbst in einem Interview von 2014 ausgedrückt hat: »Wir realisieren Wohnimmobilien für das gehobene Segment.«

Nehls ist in verschiedenen Immobilienunternehmen involviert – und dieses Firmengeflecht dient wohl nicht nur der Verschleierung von Besitzverhältnissen. In der als Steueroase geltenden Brandenburger Gemeinde Zossen seien Firmen, an denen die Sanus AG beteiligt war, der Kommune rund 3,2 Millionen Euro Gewerbesteuern schuldig, teilte die Bürgermeisterin 2019 im Zossener Stadtblatt mit. Diese Summe einzutreiben, stelle sich als äußerst schwierig dar; einige Firmen des Netzwerks hätten Konkurs angemeldet oder ihre Geschäftsführer hätten sich ins Ausland abgesetzt.

Parallel dazu bemüht sich Nehls auch um Imagepflege. Als 2017 ein Kioskbesitzer am Kaiserdamm überfallen worden war, ersetzte der Immobilienunternehmer seinem Mieter gar die 500 Euro Verlust – und ließ sich dabei medienwirksam von der BZ begleiten. Deren Kolumnist Gunnar Schupelius zerfloss beinahe vor Bewunderung: »Ein großer freundlicher Mann mit tiefer Stimme, so stand Nehls im Zeitungsladen, zog fünf Hunderteuroscheine im Bündel aus der Tasche und drückte sie Dragoner in die Hand. Einfach so.«

Nach der Auftaktkundgebung begann die Demonstration am Samstag vor dem Köpi und zog zunächst in Richtung Görlitzer Park, wurde dann aber schon nach wenigen Metern von der Polizei gestoppt – wegen »polizeifeindlicher« Sprechchöre, so Beamte vor Ort. Nach wenigen Minuten ließ die Polizei den Protestzug weiterziehen, allerdings eng begleitet im Wanderkessel.

Sichtlich nervös agierte die Polizei, als die Demonstration die Rigaer Straße in Friedrichshain erreichte. Das teilbesetzte Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 wurde sicherheitshalber mit Flutlicht beleuchtet. Auch im Umfeld des sogenannten Dorfplatzes in der Nähe des vor einem Jahr geräumten Hausprojekts Liebig 34 waren bereits Absperrgitter und Flutlichtscheinwerfer aufgebaut, als die Demonstration dort ankam. Unterstützerinnen hatten es trotzdem vorher auf das Dach der Liebig 34 geschafft, um von dort aus Feuerwerk und Pyro zur Begrüßung zu zünden. Bis auf ein wenig Rumgeschubse kam es jedoch zu keinen Auseinandersetzungen mit der Polizei, kurz darauf wurde die Demonstration friedlich beendet.

Bis zum Räumungstermin am 15. Oktober haben die Unterstützerinnen des Köpi-Wagenplatzes noch zwei weitere Demonstrationen angekündigt und zu dezentralen Aktionen aufgerufen. Am 9. Oktober, dem Jahrestag der Räumung der Liebig 34, soll der Protest abends an dem ehemaligen Hausprojekt losgehen. Am Tag der Räumung soll ab zehn Uhr morgens der Wagenplatz verteidigt werden. Für Immobilienunternehmer Nehls tickt derweil die Uhr. Schon Ende November läuft nämlich die Baugenehmigung für das Wagenplatz-Grundstück ab.