Die Arbeitsbedingungen für prekär arbeitende Chinesen sollen verbessert werden

Liefern am Limit

Immer mehr Chinesen arbeiten in der sogenannten Gig Economy, bei Lieferdiensten und anderen digitalen Plattformunternehmen. Die Behörden wollen die Branche besser regulieren.

Sie schuften oft Tag und Nacht, werden schlecht bezahlt und wissen nie, wann der nächste Auftrag kommt. In China wächst der informelle Arbeitsmarkt, bedingt vor allem durch den rasanten Aufstieg von digitalen Plattformunternehmen, die Aufträge an Arbeiter vermitteln.

Nun will die chinesische Regierung die sogenannte Gig Economy stärker ­regulieren. Ende der vergangenen Woche verhängten chinesische Behörden eine Geldstrafe in Höhe von 3,44 Milliarden Yuan, umgerechnet 461 Millionen Euro, gegen Meituan, den größten Essenslieferdienst des Landes. Unter­suchungen der Staatlichen Behörde für Marktregulierung hätten ergeben, dass das Unternehmen gegen Antimonopolvorschriften verstoßen habe, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Strafe entspricht etwa drei Prozent des Inlandsumsatzes von Meituan. Das Unternehmen wurde außerdem aufgefordert, seine Provisionsmechanismen zu verbessern, die Rechte von Restaurantpartnern zu sichern und den Schutz für seine Lieferfahrer zu verstärken. Der Firma wird unter anderem vorgeworfen, ihre dominante Marktposition ­genutzt zu haben, um Restaurants zu zwingen, sie als alleinigen Lieferdienst­anbieter zu nutzen. Meituan erklärte, dass es die Strafe akzeptiere und die »Anweisungen der Regulierungsbehörden entschlossen umsetzen« werde.

Schätzungen zufolge arbeiten landesweit etwa 200 Millionen Beschäftige im informellen Arbeitsmarkt, das entspricht fast einem Viertel der gesamten chinesischen Erwerbsbevölkerung.

Mit rund einer Milliarde Nutzern von mobilem Internet und 853 Millionen Nutzern des appgesteuerten Zahlungsverkehrs hat der chinesische Internetsektor einen riesigen Markt für die Gig Economy geschaffen, in der zeitlich befristete Aufträge flexibel und kurzfristig vergeben werden. Schätzungen zufolge arbeiten landesweit etwa 200 Millionen Beschäftige im informellen Arbeitsmarkt, das entspricht fast einem Viertel der gesamten chinesischen Erwerbsbevölkerung.

Meituan ist nicht das einzige Tech-Unternehmen, das von den chinesischen Behörden wegen Ausbeutung seiner Arbeitskräfte und Verstößen gegen Verbraucherrechte kritisiert wird. Der chinesische Fahrdienstvermittler Didi und der Onlinehändler JD.com haben kürzlich überraschend Gewerkschaften für ihre Beschäftigten eingeführt, nachdem staat­liche Medien die schlechte Bezahlung ihrer Lieferarbeiter kritisiert hatten. Auch bei dem Online-Händler Alibaba soll es intern entsprechende Aufrufe geben.

Schon im Juli hatte der Gesamtchinesische Gewerkschaftsbund, ein mit der Kommunistischen Partei verbundener Gewerkschaftsdachverband, dem alle vom Staat zugelassenen Gewerkschaften angehören, besseren ­Arbeitsschutz in der Gig Economy gefordert. Die Pekinger Generalgewerkschaft stellte Anfang September Maßnahmen für die Einrichtung von Gewerkschaften in Plattformfirmen vor, wie die Tageszeitung Beijing Daily berichtete. Der Plan ziele darauf ab, den Einfluss der Gewerkschaften zu erweitern und die legitimen Rechte und Interessen der Arbeiter zu schützen, heißt es in dem Bericht. Demnach werden Plattformunternehmen mit mindestens 25 Beschäftigten und einer Parteizelle in der Belegschaft, die es in ­allen größeren Unternehmen Chinas geben muss, aufgefordert, Gewerkschaften zu gründen.

Auf Versuche, außerhalb der staatlich bestimmten Gewerkschaften Arbeitskämpfe zu führen, reagierte der Staat jedoch mit Repression. Im Februar wurde in Shanghai der unter Lieferfahrern bekannte Aktivist Chen Guojiang verhaftet, der im Internet über die Probleme der Arbeiter gesprochen, Arbeiter vernetzt und zu Streiks aufgerufen hatte. Ihm drohen mehrere Jahre Haft.

Die großen Kurier- und Lieferdienste sind für ihre prekären Arbeitsverhältnisse zwar besonders verrufen, doch gibt es eine schier endlose Zahl kleiner Dienstleistungsunternehmen, bei ­denen die Arbeitsbedingungen oft noch schlechter sind. Internetplattformen helfen ihren Kunden, langweilige alltägliche Besorgungen zu erledigen, indem sie etwa Menschen vermitteln, die statt des Kunden in Schlangen ­anstehen. Andere Dienste bieten alleinstehenden Frauen temporäre männliche Begleiter für familiäre und berufliche Anlässe an. Und weil Alkohol am Steuer streng verfolgt wird, kann man per App Aushilfsfahrer buchen, die den betrunkenen Fahrzeughalter nach Hause chauffieren.