Islamfaschisten drohen der Exiliranerin Mina Ahadi mit dem Tod

Die Drohgebärden der Islamfaschisten

Weil sie gegen den Muezzin-Ruf in Köln ist, drohen Islamisten der Exil­iranerin Mina Ahadi mit dem Tod. Der Islamkritiker Abbas Mohammad­poor wird derweil auf einer Kundgebung in Stuttgart geschlagen.

Am 15. Oktober protestierten etwa 30 Menschen vor der Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld dagegen, dass der Muezzin dort künftig öffentlich zum Freitagsgebet rufen darf. Es waren keine AfD-Anhänger oder andere Rechtsextreme, sondern vor allem Mitglieder und Unterstützerinnen des Zentralrats der Ex-Muslime, der diese Kundgebung veranstaltet hatte. Der Muezzin-Ruf sei kein Ausdruck von Reli­gionsfreiheit, sondern »der Weg zum politischen Islam«, hieß es im Aufruf. Der öffentliche Raum müsse weltanschaulich neutral sein.

Zu den Organisatorinnen und Teilnehmenden gehörte auch Mina Ahadi. »Wir haben diese Demonstration organisiert, weil wir glauben, Religion sollte Privatsache sein und bleiben«, sagte die 65jährige in Köln lebende Exiliranerin dem Sender Deutsche Welle. In ­ihrer Rede auf der Kundgebung betonte sie, die Kölner Moschee des Verbands Ditib, der direkt der türkischen Religionsbehörde untersteht, sei »keine Attraktion der Stadt Köln, sondern die Attraktion von Erdoğan und den Isla­misten«. Die 2015 aus Saudi-Arabien geflüchtete Frauenrechtsaktivistin Rana Ahmad stellte in einem kurzen Straßentheaterstück dar, wie sehr sie ein öffentlicher Muezzin-Ruf in Köln an ihre Unterdrückung in der Vergangenheit erinnern und retraumatisieren würde.

»Die Strategie der Islamisten liegt darin, den Schritt in die Öffent­lichkeit zu gehen und den eigentlich säkularen Raum einzunehmen.« Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentral­rats der Ex-Muslime

Schon während der Versammlung kam es zu Anfeindungen durch Moscheebesucher. »Nach der Aktion merkten wir, dass wir besser schnell wegmüssen, und anstatt U-Bahn zu fahren, nahmen wir einzeln Taxis«, sagte Ahadi dem Humanistischen Pressedienst. Ein Journalist der Deutschen Welle sei sogar angegriffen worden. Doch nicht nur vor Ort erregte der Protest große Aufmerksamkeit, sondern – nicht zuletzt durch die Berichterstattung der Bild-Zeitung und der Deutschen Welle, die auch in persischer und arabischer Sprache einen Beitrag ausstrahlte – ebenso im Internet. Dort kam es zu heftigen verbalen Angriffen, wie Ahadi berichtet.

So habe sie etwa auf Instagram in persönlichen Nachrichten eine Reihe von Todesdrohungen erhalten, mit Wortlauten wie »Ich bringe dich um, wir haben deine Adresse rausgefunden« oder »Dein letzter Tag wird kommen! Du Hure wirst schon in der Hölle verbrennen«. Ahadi zeigte die Drohungen bei der Polizei an, die dafür eigens zu ihr nach Hause kam. Sie hielt es für zu gefährlich, dass die linke Islamkritikerin sich selbst auf den Weg zum Polizeirevier macht. Seitdem steht Ahadi unter Polizeischutz, mehrmals am Tag patrouillieren Streifenwagen vor ihrem Haus, ein Personenschützer begleitet sie, sobald sie das Haus verlässt.

Die jüngsten Drohungen stammten von Social-Media-Profilen mit türkischen Namen, sagt sie. »Damit haben mich jetzt viele verschiedene islamis­tische Organisationen bedroht und möchten mich umbringen. Die Lage hat sich ein bisschen verschlechtert.« Nach Islamisten aus dem arabischen Raum und der Islamischen Republik Iran fühlten sich nun auch solche aus der Türkei beleidigt und reagierten aggressiv. Wie ihre Mitstreiterinnen vom Zentralrat der Ex-Muslime will Ahadi sich jedoch nicht einschüchtern lassen. »Die Strategie der Islamisten liegt darin, den Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen und den eigentlich säkularen Raum einzunehmen.«

Mina Ahadi lehnt auch das Läuten von Kirchenglocken ab, weil es ebenfalls in den öffentlichen Raum hineinwirke. Doch der Ruf des Muezzins sei mehr als nur einer zum Gebet, er stelle Gott über alles andere. Gerade für Ex-Muslime sei das ein großes Problem: »Denn unter solchen Rufen wird noch heute weiterhin gemordet und gesteinigt.« Der Ruf könne deshalb alte Traumatisierungen wieder wachrufen, einige ihrer Kölner Freunde überlegten bereits, die Stadt zu verlassen, wenn der Muezzin-Ruf tatsächlich komme.

Auch in Stuttgart wurde Mitte Oktober eine kleine islamkritische Kundgebung angegriffen, die unter dem Motto »Demonstration gegen die Islamische Republik Iran und den politischen Islam« stand. Veranstaltet hatte sie die Gruppe »Freiheit und Gleichheit« um den Aktivisten Abbas Mohammadpoor; ganz bewusst fand sie am 16. Oktober, dem ersten Jahrestag der Ermordung von Samuel Paty statt, um des französischen Lehrers zu gedenken. Dieser hatte seinen Schülerinnen und Schülern eine Mohammed-Karikatur gezeigt, um mit ihnen über das Thema Meinungsfreiheit zu sprechen. Ein Islamist enthauptete ihn daraufhin in der Nähe der Schule auf offener Straße.

Mohammadpoor zeigte auf der Kundgebung seiner Gruppe zur ­Erinnerung an Paty einige Mohammed-Karikaturen und Titelblätter der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo, neben Transparenten, auf denen das iranische Regime kritisiert wurde.

Auf einem Video ist zu sehen, wie Mohammadpoor während seiner Rede von einem Mann geschlagen wird. ­Andere Männer verwüsten die Plakate und Transparente. Nach Mohammadpoors Angaben waren die Angreifer zu fünft, sie schlugen demnach nicht nur ihn, sondern auch zwei Frauen, die sich deshalb zur Behandlung in ein Krankenhaus hätten begeben müssen. Die Polizei soll ihm zuvor geraten haben, keine Mohammed-Karikaturen auszustellen, weil das »eine Beleidigung für Muslime« sei. Wie Mina Ahadi sagt auch Abbas Mohammadpoor, er fühle sich in Deutschland immer unsicherer, werde aber trotzdem weiterhin entschlossen gegen die Islamisten kämpfen.

Die Drohungen gegen und die Attacken auf Ahadi, Mohammadpoor und ihre Mitstreiterinnen – oft sind es Ex-Muslime, Exiliraner und andere Menschen, die vor dem Islamismus geflüchtet sind – sind nur die jüngsten in einer Reihe von Einschüchterungsversuchen sowie von verbalen und körperlichen Angriffen – auch in Deutschland. Seyran Ateş, Ahmad Mansour, Hamed Abdel-Samad und Ali Utlu, um nur einige zu nennen, können ebenfalls seit Jahren ein erschütterndes Lied davon singen. Einige von ihnen können sich ohne Polizeischutz nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegen. Dennoch werden sie und ihre Lebensumstände von der Öffentlichkeit vielfach ignoriert, breite Solidarisierung gibt es nicht. Und von der Polizei werden sie oftmals aufgefordert, nur ja nichts zu tun, was jemanden provozieren könnte.

Ungeachtet dieser sehr widrigen Bedingungen bleibt Mina Ahadi optimistisch. »Wir machen trotz der Gefahr unsere Arbeit weiter«, sagte sie. Die Hassbotschaften dürften nicht den Zuspruch ver­gessen lassen, den es auch gebe. »Wir werden am Ende gewinnen, weil viele Leute merken, dass so etwas einfach nicht wahr sein kann.« Danach sieht es derzeit allerdings ganz und gar nicht aus.