Der intellektuelle Grenzgänger
In seiner Besprechung von Bernward Vespers Romanessay über das Lebensgefühl der Achtundsechziger, »Die Reise«, zitiert Christian Schultz-Gerstein eine Passage aus dem Buch, die zeigt, wie deprimierend die Nachkriegszeit für all jene war, die der pathischen Normalität des Alltags, die Adorno in der bundesdeutschen Gesellschaft fortwirken sah, zu entkommen versuchten. Vesper habe mit »düsterer Intuition« sofort erfasst, warum Ulrike Meinhof die Villa ihres Ex-Ehemanns stürmte und die Einrichtung zerstörte. Der Rezensent konnte das Gefühl, das im Buch zum Ausdruck kam, nur zu gut nachvollziehen: »Das langsame, tödliche Anhäufen der Waren, die bald alle Räume füllen, die Wände verstellen, sich eingraben ins Bewußtsein, versteinern, zu einer tödlichen Schale werden, die jeden Ausbruch verhindert, zu Barrikaden, die die Zukunft verstellen.«
Vesper, mit dem Schultz-Gerstein aufgrund ähnlicher biographischer Konstellationen oft verglichen wurde, beschreibt die Unerträglichkeit des Seins und den gewaltsamen Ausbruch aus dem, was einen erwartete, wenn man sich in den Verhältnissen einrichtete, wenn man selbst so zu werden drohte wie die eigenen Eltern, die das Unglück des Sich-Einrichtens vorgemacht hatten. »Ich will nicht werden, was mein Alter ist«, sangen Ton Steine Scherben und dieser Horror schien jede radikale Geste der Zerstörung zu legitimieren. Schultz-Gerstein war dieses Gefühl aus dem gutbürgerlichen Elternhaus, in dem er aufgewachsen war, nur zu vertraut.
»Ich will nicht werden, was mein Alter ist«, sangen Ton Steine Scherben und dieser Horror schien jede radikale Geste der Zerstörung zu legitimieren.
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